02.09.2009 12:29 Frauen-EM 2009
Hannelore Ratzeburg steht bei der EURO in Finnland an der Spitze der DFB-Delegation. Zahlreiche Europa- und Weltmeisterschaften begleitete die Vizepräsidentin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in den unterschiedlichsten Funktionen. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sie sich für den Frauenfußball.
1977 wurde die Hamburgerin vom DFB zur Referentin für den Frauenfußball in den Spielausschuss berufen, seit 1995 gehörte sie als Vorsitzende des Frauenfußball-Ausschusses dem DFB-Vorstand an und war schon beim ersten Länderspiel der Frauen-Nationalmannschaft 1982 dabei. 2007 wurde sie die erste weibliche Vizepräsidentin im DFB-Präsidium. Zudem gibt sie als Mitglied von UEFA- und FIFA-Kommissionen dem Frauenfußball Gestalt.
Im DFB.de-Exklusivinterview mit Redakteurin Annette Seitz zieht Hannelore Ratzeburg eine Zwischenbilanz der EURO, bei der es am Freitag (ab 15 Uhr, live im ZDF und bei Eurosport) in Lahti zum Viertelfinalduell mit Italien kommt. Außerdem schaut sie voraus auf die Frauen-WM 2011 in Deutschland und berichtet von Überlegungen, die EURO von zwölf auf 16 Mannschaften aufzustocken.
Frage: Die DFB-Auswahl ist bei der EM als Gruppenerster ins Viertelfinale eingezogen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus, und was erwarten Sie vom Duell mit Italien am Freitag?
Hannelore Ratzeburg: Wir können bislang sehr zufrieden sein. Wir sind die einzige Mannschaft des Turniers, die neun Punkte nach der Gruppenphase aufweist. Zudem haben wir mit dem 5:1 gegen Frankreich das bisher höchste Ergebnis bei diesem Turnier erreicht. Das ist eine starke Leistung. Jetzt wartet Italien - es wird sicherlich ein spannendes Spiel, denn das ist ein anspruchsvoller Gegner. Aber unsere Mannschaft ist gut drauf.
Frage: Wie sind bislang Ihre Eindrücke von der EM? Ist das Zuschauerinteresse enttäuschend?
Ratzeburg: Finnland hat fünf Millionen Einwohner. Es war zu erwarten, dass die Zuschauerzahlen nicht ganz so hoch werden. Natürlich ist es enttäuschend, wenn beispielsweise beim Spiel Russland gegen Italien in Helsinki nur 1112 Zuschauer kommen. Das ist selbstverständlich nicht schön. Finnland ist allerdings nicht die typische Fußballnation. Es ist jedoch erfreulich, dass die finnische Mannschaft bei ihren Spielen viel Zuspruch erfahren hat. Dass der Ausrichter im Viertelfinale steht, ist sicherlich gut für das Turnier.
Frage: Zum ersten Mal wird eine EM-Endrunde nicht mehr mit acht, sondern mit zwölf Mannschaften gespielt. Hat sich das bewährt?
Ratzeburg: Die Spiele sind vom Niveau her in Ordnung. Wir haben hier kein höheres Ergebnis gehabt als besagtes 5:1 unserer Mannschaft gegen Frankreich. Es gab ja Befürchtungen, dass es ein großes Leistungsgefälle geben könnte. Aber wenn man sich die Ergebnisse der anderen Spiele ansieht, gibt es da keinen Ausreißer. Die Mannschaften haben alle wirklich gut mitgespielt.
Frage: Also war es die richtige Entscheidung aufzustocken?
Ratzeburg: Ich denke schon. Allerdings ist der Spielmodus nicht optimal. Man hat drei Gruppen von denen sich die jeweils Erst- und Zweitplatzierten fürs Viertelfinale qualifizieren, zudem die zwei besten Dritten. Das ist nicht glücklich. Dänemark musste beispielsweise zwei Tage warten, ehe die Entscheidung gefallen war, ob sie abreisen müssen oder weiterkommen. Das ist nicht gut für eine Mannschaft und auch nicht optimal für ein Turnier.
Frage: Gibt es Überlegungen, diese Situation zu lösen?
Ratzeburg: Ja. Wir hatten am Dienstag in Helsinki eine Sitzung der UEFA-Kommission für Frauenfußball. Dort wurde sehr ausführlich darüber diskutiert, ob man die nächste EM-Endrunde in vier Jahren für zwölf oder 16 Mannschaften ausschreiben soll. Wir haben uns nun dafür ausgesprochen, intensiv darüber nachzudenken, auf 16 Mannschaften zu erhöhen. Mit diesem Modell würde der unglückliche Spielmodus wegfallen. Dann würde in vier Gruppen gespielt, und die jeweils ersten beiden kämen weiter, die anderen würden abreisen.
Frage: Ist der Frauenfußball in Europa schon so weit, dass eine EM-Endrunde mit 16 Mannschaften gespielt werden könnte?
Ratzeburg: In vier Jahren wird sich der Frauenfußball erneut weiterentwickelt haben. Es ist so viel Bewegung drin, Talente aus den U 17-, U 19- und U 20-Bereichen schieben nach - und das nicht nur in den so genannten führenden Frauenfußball-Nationen, sondern auch in denen, die noch in der „zweiten Reihe“ stehen. Wir werden also damit rechnen können, dass dann auch Mannschaften dabei sind, die ein ähnliches Niveau haben wie die Neulinge bei dieser Endrunde.
Frage: Haben Sie Erkenntnisse bei der EURO in Finnland gewonnen, die Sie für die WM 2011 in Deutschland nutzen können?
Ratzeburg: Es gibt sicher Dinge, auf die wir achten müssen. Zum Beispiel, dass die Hotelzimmer für die Spielerinnen groß genug, die Schränke geräumig sind, die Bäder ebenso. Das hört sich banal an, ist aber äußerst wichtig für das Wohlbefinden der Spielerinnen. Und das ist ja unser Ziel. Alle Beteiligten sollen sich wohlfühlen, damit sie optimale Leistungen bringen können. Ebenso muss darauf geachtet werden, dass die Materialzimmer für den Zeugwart groß genug sind. Die Physiotherapeuten brauchen angemessene Bedingungen, die Spielerinnen einen Raum, in dem sie sich treffen können. Es ist zudem noch einmal deutlich geworden, wie wichtig die lokalen Betreuer sind, die mit der Mannschaft mitreisen und die Delegationen unterstützen. Und es hat sich gezeigt, dass die Organisation rund um die Trainingsplätze entscheidend ist. Es gibt viele kleine Dinge, die mir noch mal deutlich wurden und die wir bedenken müssen.
Frage: Welche Bedeutung hätte ein EM-Sieg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft für die WM 2011?
Ratzeburg: Es wäre einfach ein Traum, als Europa- und Weltmeister in die WM im eigenen Land zu gehen. Das hätte sicherlich positive Auswirkungen. Es täte allen richtig gut, wenn wir hier mit dem Pott heimfahren würden.
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