07.07.2008 08:30 Frauen-WM 2011 DFB.DE GESPRÄCH DER WOCHE
Steffi Jones: "Wir liegen wirklich voll auf Kurs"
Genau drei Jahre sind es noch bis zum Anpfiff der Frauen-WM 2011 in Deutschland, auf die sich das Organisationskomitee des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) seit exakt einem halben Jahr vorbereitet. Grund genug, um mit Steffi Jones (35) eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.
Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien beschreibt die OK-Präsidentin den Status quo der Vorbereitungen, nennt die wichtigsten Entscheidungen, die im zweiten Halbjahr 2008 anstehen, und sagt, welche Lehren und Erfahrungen das OK aus der EURO 2008 ziehen kann.
Außerdem beschreibt sie die Ausgangssituation vor dem Start der neuen Saison in der Frauen-Bundesliga und erklärt, welchen Einfluss ein erfolgreiches Auftreten der deutschen Frauen-Nationalmannschaft beim Olympia-Turnier in China auf die allgemeine Stimmung für die WM 2011 haben kann. Und nicht zuletzt skizziert die frühere Welt- und Europameisterin, wie sie selbst im vergangenen halben Jahr im Amt der OK-Präsidentin zurechtgekommen ist und sich dabei als Persönlichkeit weiterentwickelt hat.
Frage: Wo steht das OK mit seinen Vorbereitungen auf die Frauen-WM 2011 nach dem ersten Halbjahr seit der Büro-Eröffnung im Januar 2008?
Steffi Jones:Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell dieses halbe Jahr vorübergegangen ist. Und ich bin überrascht, was wir in dieser kurzen Zeit schon alles bewältigt haben. Unser Team der Botschafterinnen steht. Das offizielle Logo konnte präsentiert werden. Der Zeitrahmen für das Turnier ist festgelegt. Die Deutsche Telekom hat als erster Nationaler Förderer ihre Unterstützung bereits zugesagt. Es ist ein gutes Zeichen, das den hohen Stellenwert unterstreicht, den der Frauenfußball in Deutschland inzwischen genießt. Es ist geradezu ideal, dass wir die Deutsche Telekom als Erfolgsgaranten der FIFA WM 2006 nun auch bei der Frauen-WM 2011 an unserer Seite haben werden. Wir brauchen starke Partner, um die zahlreichen Kampagnen, Aktionen und Initiativen für die WM 2011 verheißungsvoll umsetzen zu können. Davon wird der gesamte Mädchen- und Frauen-Fußball in Deutschland profitieren. Die Gespräche mit weiteren Nationalen Förderern verlaufen sehr vielversprechend. Unser OK selbst ist absolut funktionsfähig. Wir liegen wirklich voll auf Kurs und sind mit dem aktuellen Stand der Dinge sehr zufrieden. So muss es weitergehen.
Frage: Wird die WM 2011 drei Jahre vor dem Anpfiff in der Öffentlichkeit überhaupt schon wahrgenommen?
Jones: Auf jeden Fall. Wenn ich meinen Terminkalender zum Maßstab nehme und sehe, wer mich wo aus welchem Anlass sehen und präsentieren will, dann kann ich jetzt schon ein sehr großes Interesse feststellen. Man muss dabei aber differenzieren, wann sich das OK durch seine Präsidentin darstellen kann und wo dies auch Sinn macht, ohne mit aktuellen Highlights wie zum Beispiel zuletzt der EURO oder in Kürze mit den Olympischen Spielen zu kollidieren. Eine Menge Leute sprechen mich dazu jeden Tag auf der Straße oder beim Einkaufen an, ob sie jetzt schon Tickets für die WM haben können, ob sie sicher sein können, in den Stadien dabei zu sein.
Frage: Welche Antwort geben Sie dann?
Jones: Dass ich für das Eröffnungsspiel und das Finale Tickets garantieren kann (lacht). Und dass auch die anderen Spiele kein Problem sein werden.
Frage: Aus dem Kreis der Städte, die sich als WM-Spielort bewerben, ist Essen jetzt ausgeschieden. Warum?
Jones: Zum vorgeschriebenen Termin lag uns der Beschluss zum Neubau des Stadions nicht vor. Daher konnten wir Essen nicht länger im Kreis der Bewerber belassen. Das tut uns sehr leid, weil Essen eine Fußballstadt mit großer Ausstrahlung und Rot-Weiss ein traditionsreicher Verein ist.
Frage: Wie sieht es bei den anderen Kandidaten aus?
Jones: Wie mir Winfried Naß, unser Abteilungsleiter für Städte und Stadien, berichtet hat, sind die Verträge von unserer Seite fertig gestellt. Sie werden zur Zeit mit der FIFA abgestimmt und gehen in den nächsten Tagen den zuständigen Vertretern der elf Städte und Stadien zu. Alle Bewerbungen machen einen sehr guten Eindruck. Es wird eine wirklich schwierige Entscheidung.
Frage: Seit 1. Juli ist Ulrich Wolter als Gesamt-Koordinator tätig. Welchen Aufgabenbereich hat er im OK?
Jones: Er bringt von seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der OK-Außenstelle Leipzig bei der WM 2006 und zuletzt als Venue-Manager der EM-Stadt Salzburg hohe Kompetenz mit, die wir natürlich in ihrer Vielfalt nutzen wollen. Er soll das Bindeglied zwischen mir und den Abteilungsleitern sein und die operativen Handlungen in unserem OK zusammenführen. Er ist eine große Stütze für mich. Außerdem soll er die U 20-WM, die ja 2010 bei uns in Deutschland als Testlauf stattfinden wird, fest im Blick haben und die notwendigen Prozesse anschieben.
Frage: Welche wichtigen Entscheidungen und Maßnahmen stehen im zweiten Teil dieses Jahres an?
Jones: Wir stehen vor einem ereignisreichen Herbst. Wir müssen die Städte und Stadien festlegen, in denen die WM-Spiele 2011 stattfinden werden. Das ist eine ganz wichtige Entscheidung für alle weiteren Maßnahmen. Wir wollen ein namhaftes Team prominenter Persönlichkeiten präsentieren, die als Testimonials die Philosophie dieser WM nach außen tragen und dort manifestieren. Wir wollen daneben den offiziellen WM-Slogan der Öffentlichkeit vorstellen. Zudem soll bis zum Ende des Jahres ein effizientes Ticketing-Konzept entwickelt werden, mit dem wir dann 2009 den Kartenverkauf starten können. Und im Marketingbereich wollen wir alle sechs Nationalen Förderer bis Ende 2008 an Bord haben.
Frage: Welchen Anteil haben diese Sponsoren im OK-Budget?
Jones: Der DFB rechnet mit 50 Millionen Euro auf der Einnahmenseite. Diese Summe soll ungefähr je zur Hälfe aus dem Verkauf der Eintrittskarten und von den sechs Nationalen Förderern realisiert werden.
Frage: Sie waren während der vergangenen Wochen auch bei der EURO 2008 unterwegs. Gibt es besondere Lehren und Erfahrungen, die aus diesem Turnier für Ihre Arbeit gezogen werden können?
Jones: Festzustellen ist, dass Public Viewing, vor allem auch bei uns in Deutschland, abermals ein großer Erfolg gewesen ist. Den wünsche ich mir in ähnlicher Form auch für unsere WM. Was ich persönlich erstmals richtig bewusst wahrnehmen konnte, war außerdem das Event vor dem Spiel. Diese bunten und sehr eindrucksvollen Choreografien habe ich so vorher nie kennengelernt und miterlebt, weil ich als Spielerin zu diesem Zeitpunkt ja immer mit meiner Mannschaft noch in der Kabine war. Das sind Dinge, die wir auch für unsere Frauen-WM planen müssen, und hierbei will ich mich selbst kreativ einbringen. Was mir zudem sehr stark auffiel, war der immer höher werdende Anteil von Frauen und Mädchen in den Stadien und beim Public Viewing. Gerade auch sie haben diese ungemein positive Begeisterung bewirkt, die man in Österreich und der Schweiz vor der EM in dieser Form nicht vermutet hatte. Für unsere WM heißt das, dass wir nicht nur mit einem Familienfest bei den einzelnen Spielen rechnen dürfen, sondern ganz stark auch auf weibliche Besucher als Einzelpersonen oder in Gruppen bauen können.
Frage: OK-Präsidentin – wie gehen Sie inzwischen mit diesem Amt und dieser Aufgabe um?
Jones: Weitaus sicherer und ruhiger als in der Anfangsphase. Ich bin in den vergangenen Monaten in diese Führungsposition hineingewachsen und traue mir jetzt zu, tatsächlich die Chefin zu sein. In dieser Beziehung verschwinden meine anfangs noch großen Hemmungen immer mehr. Ich merke, dass ich mich anders ausdrücke, nicht mehr so hastig antworte. Ich sehe mich nicht nur als Repräsentantin, sondern bin auch in eine echte Leitungsfunktion hineingewachsen, in der ich mich mit den vielen operativen Abläufen beschäftige.
Frage: Was heißt das?
Jones: Ich merke, dass ich fachlich hinzugewonnen habe und kompetenter geworden bin. Ich realisiere, dass es mir zusteht, Forderungen zu stellen und auch Kritik zu üben. Die immer nur lächelnde Steffi ist ernster geworden. Nicht, weil ich jetzt häufiger schlecht drauf bin, sondern weil ich mich immer öfter und intensiver mit ernsthaften Sachthemen befasse. Diese Entwicklung tut mir gut, und ich bekomme in dieser Hinsicht auch ein sehr positives Feedback.
Frage: Welche Ihrer Auslandsreisen im vergangenen halben Jahr hat Sie am stärksten beeindruckt?
Jones: Ganz klar Chile, mit dem Empfang bei der Staatspräsidentin. Allein schon das Betreten ihres Amtszimmers ging bei mir mit Ehrfurcht und Gänsehaut einher. Chile – das war wirklich sehr schön.
Frage: Wie bewerten Sie nach einem halben Jahr die Zusammenarbeit mit der FIFA?
Jones: Gut und sehr kollegial. Auf Arbeitsebene kommt es zu vielen Treffen, bei denen man spürt, wie froh man bei der FIFA ist, dass wir schon so weit sind. Außerdem stellt man bei dem einen oder anderen Thema fest, dass bei der FIFA noch die WM 2010 in Südafrika ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Was ja absolut verständlich ist.
Frage: Die Frauen-Bundesliga startet demnächst in die neue Saison. Wird sie vom Triple-Gewinner 1. FFC Frankfurt, ihrem ehemaligen Verein, dominiert werden - oder ist größere Ausgeglichenheit zu erwarten?
Jones: Sie wird sich ausgewogener darstellen, weil es verschiedene Wechsel gab, die eine größere Ausgeglichenheit bewirken können. Der FFC hat zwar in der vergangenen Saison alles gewonnen, in der Bundesliga gab es aber mit Duisburg ein Kopf-an-Kopf-Rennen bis zum letzten Spieltag. Aus diesem Zweikampf kann jetzt bei der Titelvergabe durchaus ein Drei- oder Vierkampf werden, zumal die Bundesliga im professionellen Bereich, beispielsweise mit Cheftrainern im Full-Time-Job, hinzugewinnt und unsere vielversprechenden jungen Spielerinnen stabiler und konstanter geworden sind. Wichtig ist, dass die Bundesligaklubs zunächst im sportlichen und professionellen Bereich ihre Hausaufgaben erledigen. Wenn die Leistung stimmt, lässt sich auch über PR-Maßnahmen, bei denen wir als OK unterstützend tätig sein wollen, eine größere Öffentlichkeit herstellen.
Frage: Vorher findet im August das Olympia-Turnier der Frauen statt. Wie stark kann das sportliche Ergebnis der deutschen Nationalmannschaft die weiteren Vorbereitungen für die WM 2011 beeinflussen?
Jones: Es wäre natürlich fantastisch, wenn unsere Nationalspielerinnen im wahrsten Sinn des Wortes als „Golden Girls“ aus China zurückkämen und wir die Nationalmannschaft in dieser Rolle als zusätzliche PR-Lokomotive auf dem Weg zur WM 2011 präsentieren könnten. Es ist aber darüber hinaus für den gesamten Frauen- und Mädchenfußball in Deutschland wichtig, dass unser Nationalteam gut und erfolgreich spielt. Olympia ist, das weiß ich aus eigener Erfahrung, das Größte im Leben eines Sportlers. Deswegen drücke ich nicht nur unsere Nationalmannschaft, sondern allen deutschen Athleten und Medaillenanwärtern in Peking die Daumen.
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