25.01.2008 07:34 Frauen-WM 2011
Steffi Jones: "Wir-Gefühl wird die Frauen-WM 2011 prägen"
Seit Beginn dieses Jahres ist sie im Amt: Steffi Jones, die Präsidentin des Organisationskomitees (OK) für die Frauen-WM 2011, das am Freitag sein Büro in Frankfurt am Main offiziell eröffnet. Ihren Lebensweg hat die 111-malige Nationalspieler – Weltmeisterin 2003 und Europameisterin 1997, 2001 und 2005 – geändert. Und auch Stil und Auftreten wird sie im Sinn ihrer neuen Aufgabe modifizieren.
Ihren Prinzipien bleibt die 35-jährige Frankfurterin aber weiterhin treu. Für die Tochter eines farbigen US-Soldaten und einer deutschen Mutter haben Integration, soziales Engagement sowie die Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs auch aus gesellschaftspolitischen Gründen einen unverrückbar hohen Stellenwert. Und auch ihr Selbstverständnis als OK-Chefin basiert auf dem Prinzip des Miteinanders.
Im "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien nennt Steffi Jones die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die nächsten Wochen und Monate, umreißt ihre Rolle in der Nachfolge von Franz Beckenbauer, dem OK-Chef der WM 2006, und verweist auf das ganz besondere Flair der WM 2011. Sie erklärt, warum sie sich gerüstet fühlt für die Zusammenarbeit mit der FIFA und beschreibt, wie sie die öffentlichen Reaktionen auf ihre Berufung zur OK-Präsidentin empfindet.
Frage: Heute eröffnet das OK für die WM 2011 offiziell sein Büro. Was wird Ihre wichtigste Botschaft an diesem Tag sein?
Steffi Jones: Natürlich werde ich auf unsere vier großen übergeordneten Ziele hinweisen. Die Bedeutung des Frauen- und Mädchenfußballs stärken, die integrative Kraft des Fußballs erhöhen und wiederum ein ganz tolles WM-Turnier ausrichten, bei dem wir uns und unser Land abermals heiter, weltoffen und gastfreundlich präsentieren. Und – viertens – soll dieses Turnier frei von finanziellem Gewinnstreben, das heißt völlig gemeinnützig sein und mit deutlichem Basisbezug die regionalen Strukturen des Fußballs in Deutschland sichtbar machen. Daneben werde ich aber auch dem Anlass entsprechend betonen, dass wir jetzt mit voller Kraft loslegen, dass unser OK-Team für die Startphase sehr gut aufgestellt ist und dass ich mich freue, meine engsten Mitarbeiter der Öffentlichkeit vorstellen zu können.
Frage: Sie selbst sind als OK-Präsidentin schon seit Anfang Januar an der Arbeit. Wie verliefen die ersten Wochen?
Jones: Die ersten Lernprozesse haben für mich begonnen, wobei ich feststellen konnte, dass die Meetings, an denen ich bisher teilgenommen habe, auch mal drei Stunden dauern können, selbst wenn sie für eine Stunde angesetzt waren. Ich habe gemerkt, dass ich mir viel aneignen muss, weil ich nicht die typische Repräsentantenrolle spielen, sondern mich einbringen will in die gesamte Organisation. Darauf freue ich mich wirklich. Diese dreieinhalb Jahre werden eine spannende Zeit, in der wir, das kann ich jetzt schon sagen, ein tolles Miteinander haben werden - und bei aller Seriosität, mit der wir die Dinge vorantreiben, vor allem auch viel Spaß.
Frage: Sie sind also schon mittendrin in dem Prozess des Rollenwechsels von der Fußballerin zur OK-Chefin?
Jones: Genau so ist es. Ich muss mich umstellen. Ich bin nicht mehr die Steffi, die aktive Fußballerin, sondern in einer Funktion tätig, in der ich auch ein bisschen Distanz aufbauen und die Förmlichkeiten beachten muss, die diese Position mit sich bringt. Da muss ich hineinwachsen, ohne mich zu verbiegen. Was mir aber nicht schwer fallen wird.
Frage: Was werden die Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit in den nächsten Wochen sein?
Jones: Die Suche und die ersten Verhandlungen mit den nationalen Förderern und Sponsoren haben bereits begonnen. Wir arbeiten schon daran, das WM-Logo und den Slogan zu schaffen. Und wenn feststeht, wie viele Mannschaften an der WM-Endrunde teilnehmen, müssen wir die Spielorte und ihre Stadien festlegen, was bei der hohen Qualität der insgesamt zwölf Bewerber eine sehr schwierige Entscheidung werden wird. Das sind die wesentlichen Pflichtaufgaben für die nächsten Wochen und Monate. Daneben müssen Kampagnen und Aktionen auf den Weg gebracht und ein Botschafter-Team mit namhaften Spielerinnen zusammen gestellt werden, mit denen die Vorfreude auf die WM im ganzen Land geschürt wird.
Frage: Das WM-OK 2006 hatte mehr als fünf Jahre Zeit für die Turniervorbereitung. Reichen die dreieinhalb Jahre, die Ihnen und Ihrer Mannschaft von jetzt an zur Verfügung stehen?
Jones: Die reichen aus dem einfachen Grund, weil wir auf den Erfahrungen, auf den vielen positiven wie auf den paar nicht ganz so guten, der großartigen WM 2006 aufbauen können. Viele, die 2006 eingebunden waren, sind auch jetzt wieder dabei. Hinzu kommt, dass die WM 2011 etwas kleiner sein und eine andere Dimension haben wird. Wir maßen uns aber nicht an, dass diese Weltmeisterschaft deswegen ein Selbstläufer wird. Doch unser OK beginnt nicht bei Null.
Frage: Die Frauen-WM 2011 soll und kann keine Kopie der Männer-WM 2006 werden, sondern soll sich davon deutlich abheben. Was also wird das Besondere sein?
Jones: Ein tolles Wir-Gefühl. Dieses Wir-Gefühl ist gerade bei Frauen und Mädchen ganz besonders ausgeprägt. Ein Wir-Gefühl, das auch die Botschaft der Integration beinhaltet, die wir unbedingt mit einbeziehen wollen. Dieses Wir-Gefühl, dieses Miteinander in seiner bunten Mischung wird die Freude, die Euphorie und die Leidenschaft, das ganze optische Erscheinungsbild bei dieser WM in besonderem Maße prägen. Schon bei der WM 2006 haben die vielen Frauen und Mädchen auf Männer, die hin und wieder aggressiv zu werden und auszurasten drohten, besänftigend gewirkt. Bei einer Frauen-WM ist das Publikum noch familiärer. Das wird es auch 2011 sein.
Frage: Neben dem angestrebten Turniererfolg soll der Stellenwert des Frauenfußballs national und international nachhaltig gesteigert werden. Dazu erhofft sich DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger von Ihrer Berufung, dass Sie die integrative Kraft des Fußballs stärken und forcieren. Wie stellt sich die gerade mal 35 Jahre alte OK-Chefin diesem komplexen Anforderungsprofil?
Jones: Das ist für mich nicht schwer, weil ich schon immer im Sinne dieser Herausforderung gelebt habe. Es gehört zu meinen Prinzipien, mich für andere Menschen einzusetzen, mich sozial zu engagieren. Ich glaube, dass man mir das auch abnimmt, weil ich immer authentisch bin. Deshalb kann ich viele Menschen mitziehen bei dieser Aufgabe.
Frage: Seit Ihrer Ernennung zur OK-Präsidentin werden Sie oft sofort in einem Atemzug mit Franz Beckenbauer genannt oder verglichen. Ist das eher belastend oder beflügelnd für Sie?
Jones: Es ist eine sehr, sehr große Ehre. Ich fühle mich dadurch geschmeichelt. Egal, ob ich früher als Fußballerin mit ihm verglichen wurde, oder jetzt bei meiner OK-Beschäftigung. Im Grunde kann es nur gut werden.
Frage: Was unterscheidet Ihre Person und Ihre OK-Aufgaben von Franz Beckenbauer?
Jones: Franz Beckenbauer hat es ehrenamtlich gemacht, ich mache es hauptberuflich. Vor allem aber hat er wegen seines unglaublich hohen Stellenwertes von Anfang an auf einer Ebene agieren können, auf die ich erst noch kommen muss. Wenn er bei einem Sponsor vorsprach, war er auf Anhieb erfolgreich, weil eben da Franz Beckenbauer zur Tür hereingekommen war. Ich muss mit meiner Art, meiner anderen Ausstrahlung das Beste zu erreichen suchen. Das finde ich aber nicht schlimm. Meine weibliche Intuition wird mir dabei helfen. Natürlich bin ich für jeden Tipp von ihm dankbar, den ich mir auch sehr zu Herzen nehmen würde.
Frage: Steht inzwischen fest, wann Sie Beckenbauer zu einem ersten Gedankenaustausch treffen werden?
Jones: Ich hoffe, jetzt am Freitag. Es wäre für mich ein schöner Augenblick, wenn er kommt, mir den Arm um die Schulter legt und sagt: "Steffi, ich wünsche dir alles Gute, du machst das schon." Es ist wirklich so, dass ich zu ihm aufschaue.
Frage: Welche Bedeutung hat die Zeit, die Sie 2002 und 2003 als Spielerin bei Washington in den USA verbrachten, für Ihren Job als OK-Präsidentin?
Jones: Es waren nicht nur sportlich zwei sehr, sehr gute Jahre. Sie waren auch sehr lehrreich, weil die Amerikaner großen Wert darauf legen, dass das Team im Vordergrund steht. Das sehe ich genauso. Ich war und bin immer ein Teamplayer. Ich war es als Fußballerin und bin es jetzt auch als OK-Präsidentin.
Frage: Und dass Sie in den USA Ihre Englisch-Kenntnisse vervollständigen konnten, kommt Ihnen als OK-Chefin nunmehr auch im Kontakt mit der FIFA entgegen?
Jones: Es ist von großem Nutzen, dass ich zweisprachig bin. Als Kind sprach ich zunächst nur Englisch. Im Kindergarten sollte ich dann Deutsch sprechen, wogegen ich mich total gesträubt habe. Irgendwann drohten sie dann dort mit dem Entzug von Essen und Trinken, also musste ich Deutsch sprechen, weil ich ja nicht hungern wollte. Das ging dann so weit, dass ich plötzlich nur noch Deutsch sprach und viel von meinem Englisch wieder vergaß. Das ist eben so in jungen Jahren. Man lernt schneller, man verlernt aber auch schneller wieder. Heute also bin ich zweisprachig und werde nun noch eine dritte Sprache, Spanisch, dazulernen.
Frage: Die nächste ganz wichtige Entscheidung der FIFA betrifft die Teilnehmerzahl. Befürworten Sie 24 oder wie bisher 16 Mannschaften bei der WM?
Jones: Vielleicht gibt es eine goldene Mitte, weil eine Aufstockung des Teilnehmerfeldes im Hinblick auf die Förderung des internationalen Frauenfußballs hilfreich sein könnte. Natürlich muss die FIFA die Entscheidung mit Augenmaß treffen, um das Leistungsgefälle bei einer WM nicht zu groß werden zu lassen.
Frage: Von dieser Entscheidung wird auch die Anzahl der Städte und Stadien abhängen, in denen die Spiele der WM 2011 ausgerichtet werden. Welche grundsätzliche Marschroute verfolgt das OK bei diesem Thema?
Jones: Wir wollen eine faire, flächendeckende Lösung mit einer regional ausgewogenen Verteilung über das ganze Land.
Frage: Die Spiele der deutschen Männer- und inzwischen auch der Frauen-Nationalmannschaft finden in voll besetzten Stadien statt. Wie könnte darüber hinaus bei der WM 2011 ein ähnlicher Publikumserfolg wie 2006 zustande kommen, als alle 64 WM-Spiele ausverkauft waren?
Jones: Das wird auch 2011 so sein. Schon 2001, bei der Frauen-EM in Deutschland, fanden fast alle Spiele in voll besetzten Stadien statt. Und es ist auch kein Handicap, dass 2011 nicht so viele Fans wie 2006 aus dem Ausland kommen werden. Deutschland ist ein Fußball- und zugleich ein Multi-Kulti-Land, dessen Menschen die Spiele auch aller anderen Teams sehen wollen. Sie wollen eingebettet werden in das begeisternde Gesamterlebnis dieser Weltmeisterschaft.
Frage: Werden Sie sich im Vorfeld der WM 2011 einem ähnlichen Kraftakt wie Franz Beckenbauer unterziehen, der alle WM-Teilnehmer besucht und persönlich willkommen geheißen hat, was weltweit als diplomatisches Glanzstück gefeiert wurde?
Jones: Das wird ganz sicher zu unserem Gastgeberkonzept gehören. Doch eventuell werde ich auch die Länder besuchen, die an der Qualifikation teilnehmen, es am Ende aber doch nicht schaffen. Ich beginne meine Welcome-Visite also früher und beschränke sie nicht nur auf die WM-Teilnehmer.
Frage: Auf Ihre Ernennung zur OK-Präsidentin haben die Medien seit dem 11. November 2007 durchweg ungemein positiv reagiert. Sind Sie überrascht, dass Sie als das Gesicht der WM 2011 in der Öffentlichkeit so gut ankommen?
Jones: Ich hatte schon ein wenig Respekt vor der öffentlichen Reaktion, weil ich nicht wusste, wie das jetzt ankommt: Steffi Jones als OK-Präsidentin. Das ist ja nicht irgendwas. Schulsprecher oder Kapitän einer Mannschaft, das ist schon eine große Sache. Daher hatte ich, ehrlich gesagt, ein wenig Bammel vor dieser Herausforderung. Doch der DFB-Präsident hat mir Mut gemacht und gesagt: "Wage es einfach!" Bei der Pressekonferenz war ich dann selbst über mich überrascht, wie konzentriert und gut ich meinen Standpunkt rübergebracht habe. Das war ein erster Schritt, mit dem ich auch die Medien überzeugen konnte, dass ich die richtige Besetzung bin.
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