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Hofft auf "herrliche Kulisse": Silvia Neid |
Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft bereitet sich derzeit auf die EURO 2009 vor. Dort erwartet sie "die schwerste Gruppe und ein strammes Programm", so Trainerin Silvia Neid im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche".
Seit dem 22. Juni arbeitet die DFB-Auswahl auf das Turnier hin, das vom 23. August bis 10. September in Finnland stattfinden wird. Der künftige Europameister wird sechs Spiele binnen zweieinhalb Wochen bestreiten müssen. Die Länderspiele gegen die Niederlande in Sinsheim am Samstag (ab 18 Uhr, live in der ARD) und gegen Japan in Mannheim am 29. Juli (ab 16 Uhr, live im ZDF) sowie gegen Russland in Bochum am 6. August (ab 17.25 Uhr, live in der ARD) sind wichtige Tests.
Die Trainerin der deutschen Frauen erhofft sich wichtige Erkenntnisse aus den Begegnungen. Wertvolle Hinweise für die weitere Trainingsarbeit. Schließlich verfolgt die DFB-Trainerin große Ziele. Silvia Neid strebt die Titelverteidigung an, wie sie im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer erklärt.
Frage: Silvia Neid, endlich spielt die Frauen-Nationalmannschaft wieder. Freuen Sie sich auf die Länderspiele gegen die Niederlande und Japan?
Silvia Neid: Natürlich, ich freue mich auf jedes Länderspiel. Jede Begegnung der Nationalmannschaft ist für mich etwas Besonderes. So habe ich das schon als Spielerin empfunden. Bei meinem Debüt genauso wie bei meinem 111. Einsatz im DFB-Trikot. Und als Trainerin hat sich bis heute nichts daran geändert.
Frage: Sie scheinen nicht die Einzige zu sein, der es so geht. Die Resonanz, die die Frauen-Nationalmannschaft erhält, ist entsprechend.
Neid: Ja, genau. Man kann das zum Beispiel am Zuschauerzuspruch sehen. Die Zahlen haben sich bei den Länderspielen kontinuierlich nach oben entwickelt. Zuletzt die knapp 45.000 in Frankfurt gegen Brasilien sind dafür der beste Beleg. Und auch in Sinsheim sind schon rund 20.000 Tickets abgesetzt worden. Vielleicht ist die Rhein-Neckar-Arena am Samstag ja sogar ausverkauft. Das wäre eine herrliche Kulisse in diesem Schmuckkästchen.
Frage: Haben Sie und Ihre Spielerinnen bei einer solchen Partie überhaupt Augen und Ohren für so etwas?
Neid: Auch wenn die absolute Konzentration auf dem Spiel liegen wird, nimmt man die Atmosphäre zumindest unterbewusst wahr. Die vielen Fans, die Anfeuerung – das hat auf jeden Fall einen Effekt auf die Spielerinnen.
Frage: Ist für Ihre Mannschaft überhaupt noch weitere Motivation von Nöten? Schließlich ist es das erste Spiel seit dem Start der Vorbereitung auf die EURO 2009 am 22. Juni.
Neid: Das stimmt natürlich. Wir haben zwar einige Trainingsspiele im Rahmen unserer Lehrgänge bestritten, aber die beiden Partien in Sinsheim und Mannheim sind schon etwas Anderes. Diese Tests haben Wettkampfcharakter. Wir treten gegen ganz starke Gegner an.
Frage: Sie haben sich die Niederlande und Japan ganz gezielt ausgesucht: Warum?
Neid: Beide Mannschaften sind Top-Teams, sie werden uns fordern. Das Gute an derart starken Gegnern ist, dass sie uns unsere Fehler aufzeigen. Diese Erkenntnisse sind für uns Trainer ganz wichtig, weil sie uns zeigen, woran wir noch mit unserer Mannschaft arbeiten müssen.
Frage: Gibt es auch einen direkten Bezug der Gegner zur EURO?
Neid: Ja, den gibt es. Beide Mannschaften ähneln von der Spielweise unseren Gegnern in der Gruppenphase der EURO. Die Niederländerinnen sind robust und haben ein gutes Zweikampfverhalten, sie können variieren zwischen Kurzpassspiel und weiträumigen Angriffen. Darin gleichen sie den Norwegerinnen und Isländerinnen. Die Japanerinnen hingegen haben eine technisch unheimlich versierte Mannschaft, die taktisch sehr diszipliniert auftritt und sehr lauffreudig ist. Das sind Qualitäten, über die auch die Französinnen verfügen.
Frage: Das klingt unbequem. Wie bewerten Sie die Konstellation?
Neid: Die ist gut für die Zuschauer. Ich denke, sie können sich auf interessante Begegnungen freuen. Sowohl jetzt in der Vorbereitung als auch bei der EURO. Ich habe schon nach der Auslosung gesagt, dass wir die schwerste Gruppe erwischt haben. Gleich zum Auftakt gegen Norwegen spielen zu müssen, ist schon eine Herausforderung. Immerhin war das vor vier Jahren bei der EURO 2005 in England unser Endspielgegner. Dazu Frankreich, die schon seit Jahren in der Weltspitze mitmischen. Und Island werden wir auch nicht unterschätzen – das hat schon seinen Grund, warum die bei der Endrunde dabei sind.
Frage: Würden Sie lieber in einer anderen Gruppe spielen?
Neid: Solche Überlegungen machen keinen Sinn. Wir müssen uns mit dem befassen, was ist. Die Auslosung hat unabänderliche Fakten geschaffen. Und ich habe unmittelbar danach mit der Vorbereitung, der Analyse unserer Gegner begonnen.
Frage: Mit welchem Ergebnis?
Neid: Wir müssen topfit in das Turnier gehen. Wir dürfen uns von der ersten Minute an keine Schwäche erlauben.
Frage: Welche Tücken lauern bei der Europameisterschaft?
Neid: Die EURO ist das am stärksten besetzte Kontinentalturnier. Alle teilnehmenden Mannschaften stehen unter den Top 20 der FIFA-Weltrangliste. Dazu kommt, dass erstmals zwölf Teams bei der Endrunde dabei sind. Das heißt, wer den Titel holen will, braucht einen langen Atem. Wer bis zum Ende des Turniers dabei sein will, muss sechs Spiele in zweieinhalb Wochen absolvieren. Das ist ein strammes Programm.
Frage: Wie weit schauen Sie denn für das Turnier voraus?
Neid: Wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Wir planen so, dass wir für alle Eventualitäten gewappnet sind. Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen Europameister werden. Natürlich kann man so etwas nicht programmieren oder garantieren, aber wir werden auf jeden Fall unser Bestes geben.
Frage: Wie gewichten Sie zwischen Gegner-Analyse und eigener Spielvorbereitung?
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"Die schwerste EM-Gruppe erwischt" |
Neid: Unser eigenes Spiel steht natürlich an erster Stelle. Wir werden immer versuchen, dem Gegner unser Spiel aufzudrängen. Deswegen arbeiten wir in der Vorbereitung auch ganz intensiv an unserem Spielsystem. Über den Gegner sprechen wir immer erst kurz vor der Begegnung. Dann wird auf Stärken und Schwächen auf deren Seite hingewiesen.
Frage: Die deutsche Nationalmannschaft ist stets als starke Einheit aufgetreten. Was ist bei der EURO zu erwarten?
Neid: Ich hoffe, dem wird wieder so sein. Wir arbeiten auf jeden Fall daran. Wobei die Geschlossenheit auf verschiedenen Ebenen funktionieren muss. In allen relevanten Bereichen sogar – vom taktischen Verständnis über die technischen Fähigkeiten bis hin zur Athletik. Jede kleine Schwäche wird ein Gegner zu nutzen versuchen. Gerade auf dem Niveau, auf dem bei der EURO gespielt wird, darf man sich so etwas nicht leisten.
Frage: Nach den Olympischen Spielen 2008 sind mit Renate Lingor und Sandra Smisek zwei routinierte Spielerinnen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Wie sehr werden Sie fehlen?
Neid: Beide waren Spielerinnen, die gerade bei großen Turnieren ihre Qualitäten gezeigt haben und so wesentlich zu manchem Erfolg beigetragen haben. Natürlich kann man solche Typen nie eins-zu-eins ersetzen. Man muss auch bedenken, dass sie Zeit gebraucht hatten, um in ihre Rolle hineinzuwachsen und die Qualität zu erlangen, die sie letztlich so stark gemacht haben. Aber wir verfügen auf ihren Positionen über adäquaten Ersatz. Im Angriff ist schon seit einiger Zeit die Konkurrenz ziemlich groß. Und mit der Rückkehr von Inka Grings haben wir noch eine weitere Variante hinzugewonnen. Und im zentralen defensiven Mittelfeld sind wir auch gut besetzt. Simone Laudehr hat es bei der WM und den Olympischen Spielen gezeigt, Linda Bresonik kann von dort Akzente setzen und Kim Kulig hat in ihren ersten Länderspielen Leistungen gezeigt, die verheißungsvoll sind. Also, darum ist mir nicht bange.