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EM-Heldin: Marion Isbert |
Am 2. Juli 1989 gewann die deutsche Frauen-Nationalmannschaft mit der Europameisterschaft ihren ersten Titel. Dass es so weit kam, hatte das Team von Trainer Gero Bisanz zu großen Teilen Marion Isbert zu verdanken. Die Torhüterin war die Heldin im Halbfinale am 28. Juni 1989 gegen Italien. In der Partie im Siegener Leimbachstadion hielt sie drei Elfmeter und verwandelte einen selbst. DFB-Redakteur Niels Barnhofer sprach mit Marion Isbert.
Frage: Welches war das emotionalste Spiel, in dem Sie mitgewirkt haben?
Marion Isbert: Das ist ganz klar, das war das Halbfinale der EM 1989 in Siegen gegen Italien.
Frage: Sind Sie von Natur aus ein emotionaler Mensch?
Marion Isbert: Naja, als ruhig würde ich mich nicht bezeichnen. Ich hatte damals meinen Ruf in der Mannschaft weg. Ich war der Clown im Team. Unser Zeugwart musste damals gelegentlich darunter leiden. Dem haben wir zum Beispiel mal den Trikotkoffer versteckt. Später, wenn wieder irgendetwas war, fing der gar nicht erst zu suchen an, sondern ist sofort schnurstracks zu mir gelaufen. Aber das war außerhalb des Spielfelds. Wenn es in sportlichen Dingen darauf ankam, war ich immer vollkonzentriert.
Frage: Haben Sie es bewusst miterlebt, dass sie sich in das EM-Halbfinale so hineingesteigert haben?
Marion Isbert: Die Spielerinnen, die damals bei der EM dabei sein durften, haben für die Sache gelebt. Wir haben vor dem Turnier freiwillig Sonderschichten geschoben, um bestmöglich vorbereitet in die Endrunde zu gehen. Es gab ja seinerzeit noch keine große Vorbereitung mit Lehrgängen. Wir hatten fast nur das Stützpunkt-Training. Und um das Pensum, das wir uns selbst gesteckt hatten, zu erfüllen, musste ich einiges organisieren, ich war ja schon damals Mutter, da musste die ganze Familie mithelfen.
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Im Halbfinale wurde Marion Isbert zur Heldin des Tages und parierte drei Elfmeter |
Frage: Aus welchem Grund brachen die Emotionen so aus Ihnen heraus? War es wegen der live-Übertragung im Fernsehen? Die Bedeutung der Partie? Weil es ein Heimspiel war? Oder waren Sie grundsätzlich angespannt vor Spielen?
Marion Isbert: Nein, so etwas hat mir eigentlich nichts ausgemacht. Ich war absolut fokussiert auf die Partie. Und die Anspannung wuchs höchstens in dem Maße, in dem ich sauer auf meine Mitspielerinnen war.
Frage: Was ist Ihnen beim Elfmeterschießen durch den Kopf gegangen?
Marion Isbert: Oje, das ist schon eine ganze Weile her. Zum einen habe ich versucht, mich zu konzentrieren. Zum anderen wollte ich die Gegnerinnen nervös machen. Da habe ich ein paar Sperenzien gemacht. Ich habe halt versucht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Das darf man sich aber nicht so vorstellen, dass wir da Giftspritzen verteilt und verbrannte Erde hinterlassen hätten. Im Gegenteil: Wir haben uns mit den Italienerinnen sehr gut verstanden. Gegen sie hatten wir häufiger gespielt. Nach den Begegnungen haben wir uns mit Händen und Füßen ausgetauscht, das war sehr freundschaftlich.
"Einen Zettel hatte ich nicht im Stutzen"
Frage: Sie haben einige Elfmeter gehalten, hatten Sie einen Zettel im Stutzen?
Marion Isbert: Ja, ich habe drei Elfmeter gehalten. Aber einen Zettel hatte ich nicht im Stutzen, ich hatte gar nichts dergleichen. Ich habe meiner Intuition vertraut. Ich bin so lange wie möglich stehen geblieben. Meine Sprungkraft war ganz gut, so dass ich bis zum Schuss warten konnte.
Frage: Wie kam es, dass Sie auch einen Elfmeter geschossen haben?
Marion Isbert: Sissy Raith kam auf mich zu und sagt: ,Jetzt hast Du drei gehalten, jetzt kannst Du auch noch einen schießen.’ Elfer zu schießen, war mir auch nicht fremd. Ich habe damals auch im Feld gespielt und war für die Strafstöße zuständig. Ich bin ja nur durch eine Verletzung ins Tor gekommen. In der Verbandsauswahl hatten wir sogar eine Vereinbarung, dass, wenn wir zurückliegen, ich in der zweiten Halbzeit in den Angriff gewechselt bin.
Frage: Wie war denn Ihr geschossener Elfer?
Marion Isbert: Der war so schlecht geschossen, fast in die Mitte. Wenn Sie den heute sehen würden, würden sie fragen, wer hat denn die Torhüterin geschubst. Aber egal: Drin ist drin. Ein Quäntchen Glück gehört halt immer dazu.
Frage: Können Sie sich noch daran erinnern, was nach dem Spiel los war?
Marion Isbert: Ja, alle waren auf einem Haufen. Ich kann mich noch erinnern, dass ich ziemlich aufgelöst war. Es fiel alles von einem ab. Mein Mann kam mit unserem Sohn Sven auf den Platz, der damals drei Jahre alt war. Bis wir in die Kabine gegangen sind, hat es eine ganze Weile gedauert. Gero Bisanz und ich mussten noch Interviews geben. Später haben wir in der Sportschule gemeinsam mit den Italienerinnen ein wenig gefeiert.
Frage: Sie standen mit dem Halbfinal-Sieg im EM-Finale. Welchen Stellenwert besaß dieser Erfolg damals?
Marion Isbert: Dafür hatten wir trainiert. Es war das Zeichen dafür, dass sich der Aufwand bezahlt gemacht hat.
Frage: Wann ist es denn bei Ihnen durchgesickert, dass der Frauenfußball in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit geweckt hatte?
Marion Isbert: Von dieser Resonanz hatten wir nicht geträumt. Es war toll, diese Anerkennung zu bekommen.
Frage:Wie denken Sie heute über diesen Erfolg?
Marion Isbert: Ich denke schon, dass das ein historischer Erfolg war. Die Anerkennung wurde größer. Immer mehr Mädchen meldeten sich in den Vereinen an. Immer mehr Leute schauten sich Frauenfußball an. Es war ein Anfang – einer musste ja beginnen.