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Premieren-Jubel: die Europameisterinnen auf der Ehrenrunde in Siegen |
Am 28. Juni 1989 geschah Revolutionäres im deutschen Fernsehen: Erstmals wurde ein Frauen-Länderspiel live übertragen. Die ARD hatte sich entschieden, das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien in Siegen in voller Länge im ersten Programm zu zeigen.
Mit der Kommentierung wurde Sabine Töpperwien beauftragt. Seinerzeit ahnte die damals 27-Jährige nicht, welchen Stellenwert die Übertragung und die EM-Endrunde erhalten sollte. Heute weiß sie: „Das war ein Türöffner für den deutschen Frauenfußball. Zwar wurde dem Sport danach nicht sofort der rote Teppich von den Fernseh-Machern ausgerollt, aber wo vorher Vorbehalte waren, wurde er nun wesentlich wohlwollender betrachtet.“
Teil drei der DFB.de-Serie "20 Jahre Frauen-EM-Titel".
"Wow, das ist eine Riesenchance für mich!"
Über die Entscheidung, dass die Begegnung übertragen wird, wurde Sabine Töpperwien von NDR-Sportchef Fritz Klein informiert. „In den Entscheidungsprozess selbst war ich nicht direkt involviert. Als bekannt wurde, dass die EM in Deutschland ausgetragen wird, wurde halt in der Redaktion darüber diskutiert, wie man damit umgeht“, berichtet Sabine Töpperwien. Letztlich kam man zu dem Schluss, dass man an einer Fußball-Europameisterschaft auf deutschem Boden nicht vorbeikam.
Somit stellte sich die Frage, wer die Partie kommentiert. Eine Frau sollte es machen. Schließlich wurde der Job Sabine Töpperwien angeboten. „Ich dachte: Wow, das ist eine Riesenchance für mich!“, erinnert sie sich. Doch der zweite Gedanke war kritischer. „Aber man musste auch abwägen. Es gab auch Stimmen, man könne schnell verbrannt sein. Es hat sich nämlich keiner um die Kommentierung gerissen, aus Sorge, das Spiel könnte kein Niveau haben, worunter dann auch der Reporter leiden würde“, erzählt die Journalistin.
"Fußball war schon immer mein Metier"
Vor diesem Hintergrund wurde der Familien-Rat einberufen. Und sprach ein klares Votum aus. Selbstbewusst ging Sabine Töpperwien die Aufgabe dann an. „Ich habe mir gesagt, dass ich mir das zutraue, schließlich war Fußball schon immer mein Metier.“
Also machte sie sich an die Arbeit und sammelte Informationen für die Übertragung. Keine leichte Aufgabe, schließlich war die Berichterstattung über den Frauenfußball insgesamt damals noch recht überschaubar. „Ich hatte mir daher vorher alles geholt, was unser Archiv hergab, und viele Gespräche geführt. Mein Leuchtturm war jedoch Hannelore Ratzeburg. Sie hatte mich unterstützt, wo es nur ging“, so Sabine Töpperwien.
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Großer Rückhalt: Torfrau Isbert |
Nicht den Überblick verloren
Die Informationen der heutigen DFB-Vizepräsidentin für Frauenfußball reichten schließlich auch für die reguläre Spielzeit, die Verlängerung und das Elfmeterschießen. Wobei Töpperwien einräumt, dass sie so von dem Spiel mitgerissen wurde, dass sie „irgendwann alle Konzepte, die ich mir zurecht gelegt hatte, über Bord schmiss“.
Allerdings verlor sie nicht den Überblick. Als abzusehen war, dass die Partie in die Verlängerung ging, lechzte sie nach Informationen aus der Regie, ob denn das Spiel bis zum Ende übertragen werden würde. „Ich wurde kribbelig, weil ich nicht wusste, wie es weitergeht. Nach meinem Kenntnisstand gab es keinen Plan für diesen Fall“, berichtet die heutige Leiterin der Sportredaktion des WDR-Hörfunks.
Später erfuhr sie: „Hinter den Kulissen wurde fieberhaft telefoniert. Es musste ja schließlich ein Konsens zwischen den ganzen ARD-Sendern gefunden werden. Das ist schließlich gelungen, und zwar zu Gunsten eines spannenden Spiels und der deutschen Frauen-Nationalmannschaft.“
Spannung und Dramatik faszinierten Zuschauer
Und diese Entscheidung muss richtig eingeordnet werden. „Es musste das Programm geändert und Werbung gekippt werden – was eigentlich eine heilige Kuh ist“, so Sabine Töpperwien.
Doch auch in den Senderzentralen sollte danach niemand die Entscheidung bereuen. „Ich kann mich nicht mehr genau an die Quote erinnern“, so Töpperwien, „aber gerade zu dem Zeitpunkt, als es spannend wurde, es in die Verlängerung und ins Elfmeterschießen ging, schalteten sich viele Zuschauer zu. Das Spiel kam sehr gut an.“
Und damit auch der Frauenfußball. Die Gründ dafür lagen auf der Hand. „Die Faszination dieses Spiels waren die Spannung und Dramatik. Es hatte sich ein regelrechter Krimi entfacht. Das war die ideale Situation, um den Frauenfußball fernsehfähig zu machen“, analysiert Sabine Töpperwien.
"Der erste Schritt auf einem steinigen Weg"
Aber nicht nur die Leistung stimmte, es präsentierten sich auch Persönlichkeiten. „Da waren eine Silvia Neid, eine Sissy Raith oder eine Martina Voss dabei. Das sind alles Namen, die noch heute aktiv und wichtig im deutschen Frauenfußball sind, das sind Säulen des deutschen Frauenfußballs“, sagt die Kommentatorin.
Deshalb lautet ihr Fazit: „Das war eine Sternstunde des deutschen Frauenfußballs. Es war der erste Schritt auf einem steinigen Weg. Ich behaupte, dass der Frauenfußball in Deutschland ohne den Erfolg von 1989 nicht diese Entwicklung genommen hätte. Und ich hoffe, dass mit der WM 2011 im eigenen Land die nächste Stufe erklommen werden kann.“