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EM-Titel fehlt noch: Annike Krahn |
50 Länderspiele hat Annike Krahn für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft absolviert. Weltmeisterin ist die Innenverteidigerin des FCR 2001 Duisburg geworden. Und sie hat bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking mit der DFB-Auswahl die Bronze-Medaille gewonnen. Der EM-Gewinn fehlt der gebürtigen Bochumerin noch in ihrer Titelsammlung.
An der nötigen Motivation, diesen Titel bei der EURO 2009 in Finnland zu erreichen, mangelt es ihr auf jeden Fall nicht, wie die 24-Jährige vor dem Länderspiel gegen Russland am Donnerstag (17.25 Uhr, live in der ARD), im Interview mit DFB-Redakteur Niels Barnhofer erzählt.
Frage: Annike Krahn, wie ist es Europameisterin zu sein?
Annike Krahn: Weiß ich nicht, ich bin es ja noch nie geworden.
Frage: Warum nicht?
Krahn: Mit den Frauen war ich noch nie bei einer Europameisterschaft. Und mit der U 19 sind wir einmal in der Vorrunde ausgeschieden und das andere Mal Zweiter geworden.
Frage: Dafür sind Sie zweimal Weltmeisterin geworden – 2007 mit den Frauen und 2004 mit der U 19. Ist vor diesem Hintergrund ein kontinentaler Titel überhaupt noch interessant?
Krahn: Wenn ich nicht danach streben würde, weitere Erfolge zu haben, könnte ich gleich aufhören. Jeder Sportler arbeitet auf diese Titel hin. Jeder Wettbewerb, jedes Turnier ist eine neue Herausforderung. Da zählt es nicht, was vorher war.
Frage: Liefert man sich als Spielerin selbst Rechenschaft darüber ab, was die Motivation ist, die einen antreibt?
Krahn: In erster Linie mache ich es, weil ich Spaß am Fußball habe. Wenn das nicht wäre, würde das wichtigste Element fehlen. Ansonsten habe ich schon das Bestreben, mich ständig zu verbessern. Und natürlich ist es auch ein lohnenswertes Ziel, erfolgreich zu sein.
Frage: Gibt es manchmal auch einen Zwiespalt zwischen dem Spaß-Faktor auf der einen und dem Faktor der körperlichen Anstrengung auf der anderen Seite?
Krahn: Natürlich gibt es im Training auch ein paar Dinge, die ich nicht so gerne mache, die aber dennoch dazugehören. Um erfolgreich zu sein, muss man ganz einfach auch andere Inhalte umsetzen als nur Fußball zu spielen.
Frage: Was sind denn das für Dinge?
Krahn: Das sind zum Beispiel Intervall- oder Treppenläufe. Das sind diese Athletik-Sachen, ohne die es heute einfach nicht mehr geht. Umgekehrt ist aber doch auch ganz klar, dass alle Ballsportler möglichst viel mit ihrem Sportgerät zu tun haben wollen. Ansonsten hätte ich Leichtathletin werden können.
Frage: Also ist es eine rationale Entscheidung. Man sagt, es tut mir gut, auch wenn es weht tut, aber perspektivisch macht es mich besser?
Krahn: Ja, genau. Aber das lässt sich in einem Mannschaftssport auch nicht verhindern. Da treffen ja die unterschiedlichsten Spielertypen aufeinander. Da kann das Training nicht so sein, das es jederzeit allen gefällt. Die eine ist halt Technikerin, die Spezialität der anderen sind Zweikämpfe.
Frage: Gibt es im Training auch Grenzerfahrungen, bei denen man sagt: Bis hier hin und nicht weiter?
Krahn: Nein, ich finde, es gehört auch dazu, dass man sich mal quälen muss und seine Grenzen erfährt. Aber wenn man das dann mal erlebt hat, ist man hinterher auch glücklich, dass man es gemacht hat. Wenn man merkt, ich habe das geschafft, ich habe mich durchgebissen.
Frage: Was treibt Sie in solchen Situationen an?
Krahn: Das kommt von innen. Wenn ich darin keinen Sinn sehen würde, wäre es bestimmt schwierig. Ich glaube schon, dass ich es mehr hinterfragen würde, wenn ich das Gefühl hätte, die Aufgabe bringt mich nicht weiter. Aber der Aspekt, dass ich in einem Team spiele, spielt dabei auch eine Rolle. Man hat ja auch eine Verantwortung gegenüber den Mitspielerinnen.
Frage: Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Erfolg? Es ist zugegebenermaßen bei Ihnen eine hypothetische Frage, da Sie ja nicht unbedingt vom Misserfolg begleitet sind - in der abgelaufenen Saison haben Sie zum Beispiel den DFB-Pokal und UEFA-Cup mit dem FCR 2001 Duisburg gewonnen.
Krahn: Ich denke schon, dass das ein wichtiger Faktor ist. Wenn man viel Zeit und Einsatz investiert, dann will man ja auch sehen, dass man sich weiterentwickelt. Das muss sich nicht unbedingt sofort im Gewinn eines Wettbewerbs ausdrücken. Aber ich halte es für wichtig, nach einem halben Jahr Training sagen zu können, in diesem oder jenem Punkt bin ich ein Stück besser geworden. Es geht darum, das, was man kann, auszubauen. Und das, was man nicht kann, zu lernen. Ich halte mich für jung genug, um noch einiges Entwicklungspotenzial zu haben.
Frage: Das ist die interne Ebene. Wie sieht es mit der externen aus? Thema Anerkennung.
Krahn: Klar ist das ein Faktor. Es ist ein schönes Gefühl, für das, was man geleistet hat, Anerkennung zu erfahren. Aber das ist nicht mein Hauptantrieb. In erster Linie spiele ich ja Fußball für mich, weil ich daran Spaß habe. Das will ich natürlich auch nach außen vermitteln.
Frage: Kommt es auch darauf an, aus wessen Mund das Lob kommt?
Krahn: Auf jeden Fall. Von Leuten, die mir wichtig sind oder von denen ich meine, dass sie die Leistung einschätzen können, nehme ich gerne Kritik auf. Es geht nicht darum, dass mir alle immer nur auf die Schultern klopfen. Das wäre eher kontraproduktiv, weil es mir im Endeffekt nicht weiterhelfen würde. Ich denke aber auch, dass es eine entscheidende Frage ist, wer wirklich in der Lage ist, beurteilen zu können, ob eine Leistung gut oder schlecht war.
Frage: Wo findet man den Kreis dieser wichtigen Personen?
Krahn: Den finde ich in den unterschiedlichen Umfeldern, in denen ich mich bewege. Da gibt es Familie und Freunde. Aber auch das sportliche Umfeld von meinem aktuellen Verein bis zu Trainern wie zum Beispiel Helmut Horsch vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen, mit denen ich früher zusammengearbeitet habe. Und natürlich auch in der Nationalmannschaft.
Frage: Das heißt, beim Länderspiel gegen Russland in Bochum werden viele Menschen anwesend sein, deren Meinung Ihnen wichtig ist?
Krahn: Das ist korrekt. Und noch viel mehr. Da werden auch einige kommen, die sonst nicht so viel mit Fußball am Hut haben, die aber wissen, dass sie mir damit eine Freude machen, wenn sie da sind. Es ist schließlich etwas ganz Besonderes für mich, in diesem Stadion zu spielen. Ich habe zwar bisher nie in Bochum gespielt, aber war hier das erste Mal bei einem Bundesliga-Spiel und schon mal Ballmädchen. In der Zeit meines Praktikums beim VfL Bochum bin ich ein halbes Jahr lang jeden Tag hier gewesen, also das ist schon etwas sehr Spezielles für mich.
Frage: Macht Sie das auch nervös, dass so viele wegen Ihnen kommen?
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50 Länderspiele: Annike Krahn |
Krahn: Das weiß ich jetzt noch nicht. Wenn, dann kommt das bei mir immer kurz vor dem Anpfiff. Kann aber schon sein, dass das ein Spiel ist, bei dem ich nervöser bin als sonst. Es werden natürlich in einen andere Erwartungen gesteckt, wenn so viel Leute da sind, die nur wegen dir gekommen sind. Allerdings neige ich nicht dazu, Lampenfieber zu haben. Bisher habe ich es noch immer geschafft, nicht total hibbelig zu werden oder den Fokus aufs Spiel zu verlieren.
Frage: Wie gelingt Ihnen das?
Krahn: Wenn der Anpfiff ertönt, ist das meistens weg. Einen großen Trick gibt es da nicht. Für mich sind die Zweikämpfe wichtig, um ins Spiel zu finden. Aber es ist nicht so, dass, wenn ich den ersten verliere, dann sofort die ganze Partie für mich schlecht läuft.
Frage: Wagen Sie eine Prognose, wie das Spiel gegen Russland für Sie laufen wird?
Krahn: Kann ich nicht sagen. Ich arbeite darauf hin, dass ich in der Startformation stehe.
Frage: Und welche Chancen sehen Sie für sich hinsichtlich der EURO?
Krahn: Ich nehme mir immer sehr viel vor. Ich will mich bei diesem Turnier zeigen. Ich bin auch optimistisch, dass mir das gelingt. Mein Ziel ist es, bei der EURO unter den ersten Elf zu stehen.