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Setzt beim Auftakt auf Spaß: Silvia Neid |
Am Montag startet die deutsche Frauen-Nationalmannschaft in die EURO 2009. Ab 16 Uhr trifft die DFB-Auswahl in Tampere auf den zweimaligen Europameister Norwegen - gleich ein Topspiel.
Vor der Auftaktbegegnung des Titelverteidigers unterhielt sich DFB-Redakteur Niels Barnhofer mit Trainerin Silvia Neid im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" über den Erwartungsdruck, eine Glückszahl, die Favoritenbürde und Schlüsselspiele.
Frage: Silvia Neid, rund zwei Monate Vorbereitungszeit liegen hinter Ihnen und der DFB-Auswahl. Fiebern Sie dem Start der EURO entgegen?
Silvia Neid: Ja, absolut. Wir sind seit Mittwoch in Finnland. Und wenn man erst einmal vor Ort ist, wird die Sache ja immer präsenter. Das Kribbeln nimmt zu. Die Anspannung wächst. Das ist auch ganz gut so. Das sind nämlich Zeichen dafür, dass es Zeit ist, dass es endlich losgehen kann.
Frage: Welchen Anteil an der Anspannung haben die hohen Erwartungen in der Heimat?
Neid: Das ist schwer zu sagen. Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass jeder denkt, wir würden erneut einen Titel gewinnen. Aber da kann ich immer wieder nur sagen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Wir sind hier Teil eines enorm starken Teilnehmerfeldes. Es wird uns mit Sicherheit nichts geschenkt werden. Im Gegenteil: Alle anderen Mannschaften werden alles daran setzen, damit wir nicht schon wieder den Titel gewinnen. Insofern versuche ich die Sache realistisch zu sehen.
Frage: Wie sehen denn dann Ihre Erwartungen aus?
Neid: Wir wollen Europameister werden. Das ist ein ganz grundsätzliches Verständnis: Wenn man an einem solchen Turnier teilnimmt, sollte man auch das Ziel haben, es zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass unsere Mannschaft das Zeug dazu hat. Aber die Leistungsdichte bei der EURO ist sehr hoch. Meiner Meinung nach kommen fünf weitere Teams für den Titel in Frage: Schweden, Norwegen, Frankreich, England und Dänemark. Dieser große Favoritenkreis ist ein wichtiger Aspekt. Ich sehe dieses Turnier nicht vor dem Hintergrund, dass wir großen Druck haben, sondern vor einer neuen Herausforderung stehen.
Frage: Das heißt, spätestens im Viertelfinale wird es eng?
Neid: Nein, schon in der Gruppenphase. Wir haben mit Norwegen und Frankreich zwei Top-Teams in der Vorrunde. Und Island darf man auch nicht unterschätzen. Wir werden hier von der ersten Minute an ganz konzentrierte, harte Arbeit abliefern müssen. Das Viertelfinale könnte dann ein Schlüsselspiel werden, dort könnten die nächsten ganz harten Brocken auf uns warten, etwa England oder Schweden.
Frage: Los geht es aber am heutigen Montag gegen Norwegen. Was macht diese Aufgabe so schwer?
Neid: Wir kennen die Norwegerinnen sehr gut. Ich glaube, wir haben gegen keinen anderen Gegner häufiger gespielt. Über all die Jahre ist unsere bisherige Bilanz ausgeglichen. Und das sagt schon einiges. Das wird ein absolut offenes Spiel.
Frage: Obwohl Sie personell mit dem besten Aufgebot in die Begegnung gehen können?
Neid: Beinahe. Es sind alle fit bis auf Simone Laudehr. Nachdem sie sich im Russland-Länderspiel am 6. August in Bochum eine Innenbandzerrung zugezogen hat, hatten unsere Ärzte ja zunächst gesagt sie würde zwei bis drei Wochen kein fußballspezifisches Training bestreiten können. Insofern ist sie jetzt schon erfreulich weit, sie wird gegen Norwegen im Kader sein, aber nur auf der Bank sitzen, ihr fehlen nach der Verletzung eben noch ein paar wettkampfbezogene Trainingseinheiten.
Frage: Bei den Norwegerinnen sind vor der Europameisterschaft einige Spielerinnen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. Wie bewerten Sie diesen Umstand?
Neid: Davon sollte man sich in keinem Fall irreführen lassen. Ihr Kader birgt noch genug Potenzial. Man muss sich nur einmal die Namen anschauen. Trine Ronning organisiert die Viererkette hervorragend. Ingvild Stensland ist eine der besten defensiven Mittelfeldspielerinnen weltweit. In Isabell Herlovsen und Melissa Wiik verfügen sie über schnelle und torgefährliche Spitzen. Und natürlich muss man in diesem Zusammenhang auch Solveig Gulbrandsen erwähnen.
Frage: Wie ist der aktuelle Eindruck von Norwegen?
Neid: Wir haben sie am vergangenen Mittwoch bei der Partie gegen Schweden beobachtet. Norwegen hat mit 1:0 gewonnen. Es war gut und wichtig, dass wir uns das noch einmal angeschaut haben.
Frage:Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Neid: Die Norwegerinnen spielen schon seit Jahren ein 4‑3-3-System. Gegen Schweden haben sie aber ein 4-4-2-System gespielt. Wir sind also auch auf diese Variante vorbereitet.
Frage: Fürchten Sie weitere derartige Überraschungen im Verlauf des Turniers?
Neid: Nein, wir fürchten nichts. Wir bringen jedem Gegner den nötigen Respekt entgegen. Aber verstecken brauchen wir uns vor niemanden. Natürlich schauen wir uns jede Mannschaft genau an. Im Endeffekt geht es jedoch darum, dass wir in unser Spiel, unsere Form finden. Und das funktioniert am Besten, wenn meine Spielerinnen mit Spaß, Begeisterung und Leidenschaft auftreten.
Frage: Ist das das Motto dieser EURO?
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Titel verstärkt Rückenwind: Silvia Neid |
Neid: Nicht wirklich, eher ein Ratschlag an die Spielerinnen. Ein richtiges Motto haben wir nicht. Vielleicht aber so etwas wie eine Glückszahl, die Sieben. Wenn man so will ist die EM-Endrunde unser siebter Lehrgang. Und in dem wollen wir unseren siebten EM-Titel holen. Und in sieben Einheiten wurden ja bekanntlich schon andere große Dinge erschaffen.
Frage: Welche Bedeutung hätte ein neuerlicher Erfolg bei der EURO im Hinblick auf die WM 2011 im eigenen Land?
Neid: So ein frischer, neuer Titel würde natürlich noch einmal ein bisschen mehr Rückenwind für die Organisation der WM bedeuten. Aber umgekehrt denke ich nicht, dass, sollten wir die EURO nicht gewinnen, dies negative Auswirkungen auf das Turnier 2011 haben würde. Ich glaube, der Frauenfußball in Deutschland hat mittlerweile ein solches Ansehen, dass dieses nicht vom Ausgang eines Turniers abhängig ist.
Frage: Wie viele Ihrer derzeitigen Spielerinnen werden Sie denn auch bei der WM 2011 dabei haben?
Neid: Das kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. Es wird wahrscheinlich so sein, dass einige aus dem jetzigen Kader auch in zwei Jahren dabei sein werden. Ich strebe auf jeden Fall keinen Neuaufbau an. Das war noch nie unser Ansatz. Wir haben stets versucht, sukzessive junge Spielerinnen in die Nationalmannschaft zu integrieren. Damit sind wir bisher gut gefahren und deswegen wollen wir es beibehalten. Dessen ungeachtet, gibt es keine Garantien für die Spielerinnen, die Tür wird in beide Richtungen offen sein. Die Leistung wird entscheiden.