Mittwoch, 25. März 2009

Interview mit Steffi Jones

09.04.2008 16:30 Frauen-WM 2011

Steffi Jones: "Ich wünsche mir manchmal mehr Gegenwind"

Im Interview: Steffi Jones  © Bongarts/GettyImages
Im Interview: Steffi Jones

Große Präsenz zeigt Steffi Jones seit ihrem Antritt als Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauen-WM 2011 in Deutschland - seit Mittwoch ist sie genau 100 Tage im Amt. Zahllose Interview-Anfragen, mehr als ein Dutzend Veranstaltungen und rund 60.000 Reisekilometer - unter anderem nach Neuseeland, Portugal und in die USA - standen in dieser Zeit auf dem Terminkalender der 35-jährigen OK-Chefin.

100 Tage, in denen aus der einst dominanten Defensivspezialistin beim 1. FFC Frankfurt die bestimmende Offensivexpertin des WM-OK 2011 wurde, die von ihrem Selbstverständnis her gleichwohl eine Teamspielerin geblieben ist.

Im DFB.de-Exklusivinterview mit DFB-Mitarbeiter Wolfgang Tobien zieht Steffi Jones (35) eine erste Zwischenbilanz und nimmt die nächsten Ziele und Projekte in Angriff, die sie auf dem Weg zum Weltfestival des Frauenfußballs mit viel Charme, unverwechselbarem Charisma und der ihr eigenen Zielstrebigkeit gemeinsam mit ihrem OK-Team erreichen will. Außerdem beschreibt sie die enge Verzahnung zwischen DFB und OK und sagt, wie sie sich, falls sie noch Nationalspielerin wäre, im Hinblick auf die Olympischen Spiele in Peking verhalten würde.

Frage: Die ersten 100 Tage Ihrer Amtszeit als OK-Präsidentin liegen hinter Ihnen. Wie bewerten Sie diese Phase, die manche als Schon- und Eingewöhnungszeit bezeichnen?

Steffi Jones: Auf jeden Fall habe ich Neuland betreten. Ich konnte mich aber ohne Pannen und Zwischenfälle hineinfinden in die neue Aufgabe und blieb bisher auch von einem größeren Härtetest verschont. Vor allem weil ich von meinen Mitarbeitern vom ersten Tag an stark unterstützt und von ihnen schnell in unser Team integriert wurde. Ich habe schon einiges gelernt. Ich muss aber noch viel lernen, vor allem was die sachlich-fachliche Darstellung der sehr vielschichtigen Aufgabenstellung unseres Organisationskomitees in der Öffentlichkeit betrifft. Da ist es mit solchen Statements, die ich früher nach einem Spiel als Fußballerin abgeben konnte, nicht getan.

Frage: Wo lag der Schwerpunkt Ihrer bisherigen Tätigkeit?

Jones: Ganz eindeutig in der Repräsentanz unseres Organisationskomitees in der Öffentlichkeit. Von der ersten Woche an wollten die Medien Aussagen und Stellungnahmen von mir zu Themen haben, in denen ich noch gar nicht richtig drin war. Aber auch zu Themen, die noch gar nicht spruchreif waren und sind, wie ganz spezifisch zum Beispiel zum Ticketing, zu den Sponsoren oder zu den Volunteers. Ich habe in diesen ersten 100 Tagen überhaupt erst mal die Dimension des ganzen Projektes der WM, aber auch des Gesamtbereichs Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland einzuschätzen gelernt.

Frage: Mit Ihrem Amtsantritt hat für Sie ein völlig neuer Lebensabschnitt begonnen. Wie hat sich Ihr Leben inzwischen verändert?

Jones: Ich musste mich umstellen in meinem Verhalten. Von Kritik bin ich bisher verschont geblieben. Trotzdem wünsche ich mir manchmal mehr Gegenwind. Dass man mich nicht mehr nur als die liebe Steffi sieht, die voller Harmonie steckt. Jetzt kann ich noch lernen, damit umzugehen. Vor allem habe ich feststellen können, dass es beim OK keinen normalen Arbeitsalltag von acht bis 17 Uhr gibt, sondern dass ich hier sehr flexibel sein muss, oft auch abends oder an den Wochenenden zur Verfügung stehen muss. Es ist schon eine Umstellung, dass ich zum Beispiel kaum noch zu meinem Sport komme und ich deswegen manchmal etwas unzufrieden und unausgeglichen wirke. Zum andern weiß ich Dinge zu schätzen, die nicht für mich, angeblich aber für diese Position selbstverständlich sind. Und mir wird langsam der ungemein hohe Stellenwert des Fußballs in der Gesellschaft bewusst. Dass einflussreiche Politiker wie Ministerpräsidenten oder Oberbürgermeister oder dass Chefredakteure namhafter Medien sich direkt an mich wenden, auch das ist eine neue Erfahrung, die ich verarbeiten muss.

Frage: Die FIFA hat kürzlich entschieden, das Teilnehmerfeld für die WM 2011 bei weiterhin 16 Mannschaften zu belassen. Ist das okay so, oder wäre Ihnen eine Aufstockung lieber gewesen?

Jones: Mit dieser Entscheidung sind wir sehr zufrieden. Vom sportlichen Wert ist diese Größe genau richtig. Mit einer Aufstockung zum Beispiel auf 20 Teams hätte man anderen Ländern etwas Gutes getan für ihre Entwicklung, doch das Leistungsgefälle wäre bei der WM-Endrunde noch zu groß.

Frage: Direkt betroffen von der Festlegung des Teilnehmerfeldes sind die zwölf deutschen Bewerberstädte, von denen nunmehr drei, vielleicht sogar bis zu sechs Kandidaten im Herbst 2008 eine Absage erhalten. Wie schwer fällt Ihnen als OK-Chefin diese Aufgabe?

Jones: Angesichts der durchweg richtig guten Bewerbungen werden die Absagen, die wir tätigen müssen, ganz klar zu einer sehr schweren Aufgabe für unser OK. Doch so eine Weltmeisterschaft muss ja auch finanziert werden, daher hätte sich die Anzahl der Spielorte auch bei 20 Teilnehmern kaum verändert. Außerdem weiß jeder Kandidat, dass er sich mit seiner Bewerbung in einem Wettbewerb befindet, in dem nicht alle zu den Siegern gehören können. Die Hauptkriterien sind und bleiben eine gleichmäßige geografische Verteilung der Spielorte und eine sinnvolle wirtschaftliche Auslastung der Stadien mit Spielen.

Frage: In zehn Tagen wird in Berlin beim DFB-Pokalfinale der Frauen und Männer das WM-Logo vorgestellt. Kennen Sie schon das Endprodukt, das ja die Visitenkarte der WM 2011 sein wird?

Jones: Es ist auf jeden Fall sehr aussagekräftig. Wenn man es sieht, bringt man sofort mit ihm den Frauenfußball und die einzigartige Atmosphäre eines WM-Stadions in Verbindung. Es hat Ästhetik, und ich finde, es ist gut gelungen. Dieses Logo wird auf jeden Fall die Visitenkarte der WM 2011 sein.

Frage: Einerseits soll das OK mit großer Unabhängigkeit auf der operativen Experten agieren. Andererseits ist es viel stärker als das WM-OK 2006 in den DFB integriert – unter anderem auch, um von den speziellen Erfahrungen des früheren WM-Organisationskomitees um die heutigen DFB-Führungskräfte Dr. Theo Zwanziger, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach zu profitieren. Wie schlägt sich dies in Ihrer Arbeit nieder?

Jones: Ich freue mich natürlich, dass ich auf die spezielle Erfahrung dieser Experten zurückgreifen kann. Sie sind wirklich Fürsprecher und bringen sich ein. Bisher hatte ich vor allem mit Wolfgang Niersbach zu tun, der mir mit seiner lockeren Art, aber auch mit seiner ungemein großen Kompetenz in vielen Dingen weiterhilft. Dr. Zwanzigers Tür steht mir auch immer offen. Und wenn demnächst die wichtigen großen operativen Abläufe in Gang kommen, wird uns ganz sicher auch Horst R. Schmidt mit seiner enormen Erfahrung zur Seite stehen, wenn wir Rat und Unterstützung brauchen. Und nicht verzichten möchte ich, dass ist mir ganz wichtig, auf die Unterstützung von Hannelore Ratzeburg. Was den Frauenfußball angeht, gibt es keine größere Expertin.

Frage: Als OK-Präsidentin sollen Sie außerdem die von DFB-Präsident Dr. Zwanziger forcierten Projekte wie Integration, Frauen- Mädchen- und Schulfußball tatkräftig voranbringen. Wie lautet hierbei Ihre erste Zwischenbilanz?

Jones in ihrem WM-Büro  © DFB
Jones in ihrem WM-Büro

Jones: Bei diesen Projekten fühle ich mich zu Hause, sie fallen mir sehr leicht, weil ich mich schon immer mit ihnen beschäftigt habe. Hier zeigt und bewährt sich die Verzahnung des OK mit dem DFB in der Praxis, denn beim DFB laufen schon viele Projekte, wie zum Beispiel im Schulfußball, auf Hochtouren. Unsere großen eigenen OK-Kampagnen werden zwar schon vorbereitet, doch gestartet werden sie erst zwei Jahre vor der WM. Die Erfahrung der ersten 100 Tage hat zudem gezeigt, dass wir zum Beispiel zum Thema Integration Angebote von allen möglichen Organisationen und Institutionen bekommen. Man will uns unterstützen und will daran teilhaben. Das freut uns. Doch wir müssen sortieren und filtern und dann sorgfältig auswählen.

Frage: Mit dem OK 2011 werden sie des Weiteren die U 20-Frauen-WM im Sommer 2010 organisieren, deren Ausrichtung dem DFB von der FIFA übertragen wurde. Ist dies eine zusätzliche Belastung oder ein willkommener Test für das dann folgende Großereignis?

Jones: Mir persönlich wäre ein Confederations Cup, wie im Jahr vor der WM 2006, mit acht erstklassigen A-Nationalmannschaften zwar lieber gewesen. Vor allem auch aus sportlicher Sicht für unsere Nationalmannschaft. Doch auch diese U 20-WM ist uns als Test und Einstimmung willkommen, zumal dies eine wichtige Bewährungsprobe für unsere Spitzenspielerinnen im Nachwuchsbereich sein wird. Wir werden diese Chance, die uns die FIFA bietet, nutzen, um festzustellen, wo wir stehen.

Frage: Mitentscheidend für die erhofft gute und begeisternde Atmosphäre bei der WM 2011 werden die sportlichen Erfolge der deutschen Frauen-Nationalmannschaft auf dem Weg dorthin sein. Wie wichtig ist dabei das bevorstehende Olympia-Turnier in China, wo das Team von Silvia Neid ja als ein sicherer Medaillenkandidat gilt?

Jones: Das Ziel ist eine Medaille in Peking. Noch wichtiger im Hinblick auf die Erwartungshaltung für die WM 2011 ist aber, was im nächsten Jahr bei der Europameisterschaft passiert. Das ist die letzte echte Standortbestimmung, weil unsere Nationalmannschaft danach bis zur WM ja nur noch Freundschaftsspiele hat. Eine Medaille bei Olympia und die Verteidigung des EM-Titels wären natürlich optimal, um die WM-Stimmung zu pushen.

Frage: Wenn Sie noch als Spielerin für die Nationalmannschaft zur Diskussion stünden, wie würden Sie sich angesichts der anhaltenden oder sich vielleicht sogar verstärkenden Auseinandersetzungen in Tibet verhalten?

Jones: Ich würde auf jeden Fall mitfahren, weil ein Boykott meiner Meinung nach nichts bringt, wenn alle zu Hause bleiben würden. Ich würde mir aber ernsthafte Gedanken machen, wie ich vor Ort, wo die Medien aus aller Welt ja anwesend sein werden, die Plattform nutzen könnte, um persönlich und vielleicht auch mit der Mannschaft ein Zeichen zu setzen für die Beachtung der Menschenrechte und ein Engagement gegen jede Art von Unterdrückung.

Frage: Das Prinzip des neuen DFB-Generalsekretärs Wolfgang Niersbach lautet, dass mit einem Lächeln jedes Problem leichter zu lösen sei. Sie wurden von der Frankfurter Rundschau in einem Porträt als "die lächelnde Chefin" beschrieben. Ist der DFB mit seinem OK ein Land des Lächelns?

Jones: So ist es, was aber bei allem Spaß ernsthafte und konzentrierte Arbeit nicht ausschließt. Ein lächelnder Generalsekretär und eine lächelnde Steffi Jones – sympathischer kann doch die enge Verzahnung zwischen DFB und OK nicht zum Ausdruck kommen.

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