18.08.2009 10:36 Frauen-EM 2009
Die Präsidentin und das Golden Girl
Nia Künzer ist nicht Günter Netzer. Will sie auch gar nicht sein. „Man darf niemanden kopieren, man muss sich treu bleiben. Und mit Netzer mag ich mich ohnehin nicht messen“, sagt die 29-jährige ehemalige Nationalspielerin, die einen der größten Triumphe des Deutschen Fußball-Bundes überhaupt einleitete.
Damals, 2003 in den USA, hatte sie die deutschen Frauen erstmals zum Weltmeister-Titel geköpft. Strahlender Sonnenschein im kalifornischen Carson. Unglaublich kraftvoll hatte sie sich damals am 12. Oktober 2003 hochgeschraubt und den von Renate Lingor geschlagenen Flankenball voll erwischt. Das Golden Goal in der 98. Minute, später sogar zum „Tor des Jahres“ gewählt, brachte Deutschland den 2:1-Finalsieg über Schweden. „Ein lichter Moment“, sagt sie heute.
Inzwischen ist die Diplompädagogin im Zweitjob die Fußball-Expertin der ARD. An der Seite von Michael Antwerpes wird sie für ein Millionenpublikum von den Spielen der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft in Finnland berichten. „Unsere Frauen gehen als sechsfacher Europameister und Titelverteidiger ins Turnier. Ist doch klar, dass sie zum Favoritenkreis gehören. Das Halbfinale muss absolutes Minimalziel sein“, sagt Nia Künzer.
Jones und Künzer berichten von der Europameisterschaft
Ihr Pendant beim ZDF ist eine langjährige Teamkollegin, im Verein und bei der Nationalmannschaft. Steffi Jones, heute Präsidentin des Organisationskomitees für die Frauen-WM 2011, kommentiert für die Konkurrenz auf dem Nachbarkanal. Fünfmal wurden Jones und Künzer im Team des FFC Frankfurt gemeinsam Deutscher Meister, fünfmal Pokalsieger, und zweimal UEFA-Cup-Sieger. Gemeinsam spielte man im Nationalteam, „auch wenn wir uns da mit unseren Kreuzbandrissen ein wenig abgewechselt haben“, wie Nia Künzer lächelnd anmerkt. Seit dem WM-Jahr 2006 stehen beide wieder für die Nationalmannschaft vor der Kamera. Nur sitzt die in Botswana geborene Künzer in der ersten Reihe. Und die gebürtige Frankfurterin Jones sieht besser mit dem Zweiten.
Nia Künzer und Steffi Jones – zwei ehemalige Weltmeisterinnen kommentieren für ARD und ZDF von der Europameisterschaft in Finnland. Turnierbeginn ist der 23. August, Titelverteidiger Deutschland startet einen Tag später in das Turnier.
„Nia macht einen guten Job, sie bleibt sich immer treu. Überhaupt befürworte ich es, dass erfolgreiche Spielerinnen, und nicht nur Journalisten, am Mikrofon stehen“, beurteilt die 36-jährige WM-Chefin die „On Air“-Leistung ihrer jüngeren Kollegin. „So oft habe ich Steffi noch nicht bei den Sendungen gesehen. Nicht dass das falsch rüberkommt. Ich schalte nicht weg, wenn Steffi läuft. Aber meistens bin ich selbst im Stadion und verfolge das Spiel live“, sagt Nia Künzer. „Die Rolle als TV-Expertin ist ein anspruchsvoller Job. Man hält da sein Gesicht in die Kamera und danach urteilen wahnsinnig viele Leute über einen. Das muss man aushalten“.
Duell auf Augenhöhe
In Finnland startet Nia Künzer vor Steffi Jones ins Turniergeschehen. Sie wird die ersten beiden Gruppenspiele von Silvia Neids Team kommentieren, darunter auch das Auftaktmatch gegen die starken Norwegerinnen. Der Weltmeister von 1995 tritt mit einer ausgeglichenen Bilanz gegen Deutschland an. Von 31 Spielen haben die beiden Großmächte des Frauenfußballs jeweils 13 gewonnen. „Im Gegensatz zu vielen anderen, glaube ich nicht, dass wir gleich eine fantastische Leistung bringen müssen. Wichtiger ist es, sich im Verlauf des Turniers zu steigern. Ein solider Auftritt im ersten Spiel reicht völlig“, sagt die ARD-Expertin.
Steffi Jones widerspricht. „Man braucht ein gutes Auftaktspiel, da tankt man Selbstbewusstsein fürs gesamte Turnier“. Dem Auftakt gegen Norwegen folgen Gruppenspiele gegen Frankreich (27. August) und Island (30. August). Den dritten Auftritt und das Viertelfinale, sollte Deutschland der Einzug gelingen, kommentiert dann die OK-Präsidentin.
Zwei Jahre vor der nächsten WM im eigenen Land hastet die 36-jährige Jones von Termin zu Termin. Sie ist Gesicht und Stimme der WM 2011. Ob als Talkshowgast bei Johannes B. Kerner oder bei der Tour durch die WM-Städte im intensiven Gespräch mit den Bürgermeistern, in Berlin beim Treffen mit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel oder beim Blitzbesuch bei ihrem Ex-Klub Washington Freedom, bewahrt sie sich immer ihre Herzlichkeit und Verbindlichkeit. Umringt von Dutzenden um ein Autogramm bittenden Kindern und Teenagern, viele mit einem Exemplar ihrer 2007 erschienenen Biografie „Der Kick des Lebens“ in der Hand, bei einem Schulkampagnen-Event in Nordbayern, hat Steffi Jones alle Zeit der Welt, auch wenn die nächsten Termine längst anstehen. Der Mensch, nicht der Terminkalender, hat Priorität. Eine sympathischere WM-Botschafterin könnte man sich nicht vorstellen.
Wie Netzer und Kahn - und doch ganz anders
Eine knallharte Journalistin ist sie nicht. In der Interpretation der eigenen Aufgabe unterscheiden sich Künzer, die Stürmerin und Jones, die Verteidigerin, deutlich. Nia Künzer formuliert schon mal offensiv Kritik: „Noch bereite ich mich auf ein Spiel nicht wie ein Journalist vor, aber es geht langsam in die Richtung.“ Steffi Jones dagegen hat als klaren Grundsatz: „Einzelne Spielerinnen mache ich nicht schlecht.“ Dafür fühlt sich die OK-Präsidentin, die sich vor jeder Live-Sendung zum Vier-Augen-Gespräch mit der Trainerin Silvia Neid trifft, einfach zu eng verbunden mit den Protagonisten. „Ich fiebere noch so richtig mit. Einzelkritik lasse ich bei meinem Kommentaren aber auch deshalb raus, weil Fehler oft aus einer Kette von Vorgängen entstehen. Selten ist da eine einzelne Spielerin Schuld.“
Nia Künzer ist nicht Günter Netzer. Und Steffi Jones sicher nicht Oliver Kahn. Auf beide aber – auf die „Maxim Frau des Jahres 2004“ (Künzer) und die Trägerin des Hessischen Verdienstordens (Jones) – dürfen sich die Fußballfans freuen. Mit ihren Fachkommentaren werden sie einem Millionenpublikum näher bringen, warum das Tor für Deutschland fiel oder wo noch ein Schwachpunkt im Spiel des Teams steckt. So wie Günter Netzer und Oliver Kahn. Und doch ganz anders.
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