Mittwoch, 29. Juni 2011

Nadine Angerer

29.06.2011 10:45 Frauen-WM 2011

Nadine Angerer: Ganz normal anders

Bereits seit 15 Jahren im DFB-Dress: die Nationaltorhüterin Nadine Angerer  © Bongarts/GettyImages
Bereits seit 15 Jahren im DFB-Dress: die Nationaltorhüterin Nadine Angerer

Als Nadine Angerer zum ersten Mal für die deutsche Nationalmannschaft spielte, nahmen nur wenige Menschen Notiz davon. 300 Zuschauer waren im niederländischen Lichtenvoorde, einem kleinen Ort unweit der deutschen Grenze, als die DFB-Auswahl gegen "Oranje" spielte.

3:0 gewann Deutschland, und in der Halbzeit wurde die gesamte Mannschaft ausgetauscht. Die 18-jährige Nadine Angerer spielte an diesem Dienstagabend Ende August 1996 die ersten 45 Minuten ihrer Länderspielkarriere. Andere Zeiten.

Am vergangenen Sonntag beim 2:1 im WM-Eröffnungsspiel gegen Kanada hat Nadine Angerer vor 73.680 Menschen im Berliner Olympiastadion gespielt. 90 Minuten, wie eigentlich immer. Es war ihr 99. Einsatz für Deutschland. Sie ist inzwischen 32 Jahre alt und eine der besten Torhüterinnen der Welt. Unumstritten, unverwechselbar. Am Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) im zweiten Gruppenspiel gegen Nigeria wird sie, falls nichts Unvorhergesehenes passiert, ein Jubiläum feiern.

Im elitären Kreis der "Hunderter"

100 Einsätze für Deutschland - 15 Spielerinnen haben das erst geschafft. "Ich habe das genau berechnet", sagt Angerer und lächelt vielsagend, wie sie das häufig tut. "Wobei: Perfekt wäre es gewesen, wenn ich die 100 im Eröffnungsspiel voll gemacht hätte." Dafür kann sie ihr Jubiläum nun in Frankfurt feiern, dort, wo sie seit 2009 spielt und lebt.

Über Deutschlands Torhüterin ist viel gesagt und viel geschrieben worden. Dass sie sich für Fotografie interessiert. Dass sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht hat. Dass sie mal in Schweden gespielt hat. Dass sie sich gerne Möbel vom Sperrmüll holt, um sie aufzupolieren. Dass sie auf "Ska" steht. Dass ihr Papa Italiener ist. Dass sie ein ausgeprägtes Faible für Kopfbedeckungen hat.

"Natze", wie sie die meisten nennen, ist eine echte Type. Eine Frau, die ihren eigenen Kopf hat und ihren eigenen Weg geht. Immer offen, immer geradeaus. "Für eine Torhüterin", sagt DFB-Trainerin Ulrike Ballweg, "ist die Natze eigentlich ziemlich normal. Sie kommt mit allen super klar, ist ein echter Teamplayer."

Ohne Gegentor bei WM 2007

Ein Teamplayer, der sich lange in Geduld üben musste. Ab 1997 war sie bei allen großen Turnieren dabei: dreimal EM, zweimal WM, zweimal Olympia. Spielen durfte sie nie, Silke Rottenberg stand vor ihr. Harte Zeiten waren das, sagte Angerer später, in denen sie manchmal sogar daran dachte aufzuhören, "aber Birgit Prinz oder Ariane Hingst beispielsweise haben mich immer wieder davon abgehalten. Die Mannschaft war toll, nur so konnte ich das durchhalten."

Ihre Chance kam 2007 in China. Sie nutzte sie - und das eindrucksvoll. Im gesamten Turnier blieb sie ohne Gegentor, im WM-Finale parierte sie beim Stand von 1:0 für Deutschland obendrein einen Elfmeter der Brasilianerin Marta. Es war der Grundstein für den 2:0-Triumph.

"Wenn mir jemand angeboten hätte, dass das diesmal wieder so gekommen wäre, hätte ich natürlich dafür unterschrieben", sagt sie. "Aber realistisch ist das nicht." Gegen Kanada kassierte Angerer beim Eröffnungsspiel ihren ersten Gegentreffer bei einer Weltmeisterschaft, einen Freistoß der Kanadierin Christine Sinclair, praktisch aus der Kategorie "unhaltbar".

Eine Torhüterin, die Ruhe ausstrahlt: "Natze" Angerer vom FFC Frankfurt  © Bongarts/GettyImages
Eine Torhüterin, die Ruhe ausstrahlt: "Natze" Angerer vom FFC Frankfurt

"Nadine ist sehr wichtig für uns"

"Solange wir immer mindestens ein Tor mehr erzielen als der Gegner, macht mir das nichts aus", sagt die Torfrau, die nicht nur mit dem deutschen Team Welt- und Europameister wurde, sondern auch mit ihren Klubs Turbine Potsdam und 1. FFC Frankfurt mehrere nationale Titel gewann.

"Nadine ist sehr wichtig für uns", sagt ihre Mitspielerin Saskia Bartusiak, die vor Angerer innen in der Viererkette verteidigt. "Sie strahlt sehr viel Ruhe aus, gibt wichtige Kommandos. Von so einer starken Torhüterin können wir nur profitieren."

100-mal Angerer für Deutschland. Es ist typisch für sie, dass sie das so kommentiert: "Diese Marke ist natürlich schön, aber so richtig viel bedeutet sie nicht für mich. Ich höre ja nicht nach dem 100. Spiel auf." Fast 15 Jahre liegen zwischen Lichtenvoorde und Frankfurt am Main. Vieles hat sich geändert, "Natze" ist geblieben.

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