Mittwoch, 25. März 2009

Interview mit Sepp Blatter

20.04.2008 10:00 Frauen-WM 2011

Sepp Blatter: "WM 2011 soll wieder ein Märchen werden"

FIFA-Präsident Joseph S. Blatter  © Bongarts/Getty Images
FIFA-Präsident Joseph S. Blatter

Beim gestrigen Fußballfestival in Berlin mit den Endspielen der Frauen und Männer um den DFB-Pokal wurde im Olympiastadion Berlin das Logo für die Frauenfußball-WM 2011 präsentiert. Im zweiten Teil des großen Interviews bringt FIFA-Präsident Joseph S. Blatter für DFB.de exklusiv im Gespräch mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien seine Erwartungen zum Ausdruck, die er mit der ersten Frauenfußball-WM in Deutschland verbindet. Seine Hoffnungen basieren dabei nicht nur auf deutscher Gründlichkeit bei der Organisation, sondern vor allem auch auf der landesweiten Begeisterung für Fußball.

Außerdem gibt der FIFA-Chef einen Ausblick auf die weitere Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs und die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die WM 2011. Er unterstreicht die Notwendigkeit einer positiven Starkultur unter den weltweit besten Spielerinnen, beschreibt das besondere Flair bei der WM 2011 und verweist auf die spezielle Bedeutung der U 20-Frauen-WM 2010 in Deutschland. Das Interview können Sie ebenfalls auf DFB-TV sehen.

Frage: Herr Blatter, an diesem Samstag wurde beim großen Tag des deutschen Fußballs zwischen DFB-Pokalendspielen der Frauen und Männer in Berlin das Logo für die FIFA Frauen-WM 2011 der Öffentlichkeit präsentiert. Bei den Fans im Olympiastadion kam es gut an. Findet es auch Ihren Beifall?

Joseph S. Blatter: Mir gefällt das Emblem ausgesprochen gut, und ich bin überzeugt, dass die Arena Deutschland bei der FIFA WM 2011 dem Frauenfußball eine stimmungsvolle Bühne bieten wird. Und ich finde es eine glänzende Idee, dass das optische Erkennungszeichen der nächsten Frauen-WM dort präsentiert wurde, wo das fantastische Sommermärchen 2006 mit dem Finale zwischen Frankreich und Italien zu Ende gegangen ist.

Frage: Welche sportlichen Erwartungen verbinden Sie mit der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland?

Blatter: Ich setze große Hoffnungen und hohe Erwartungen in diese erste Frauen-WM in Deutschland. Die werden ganz sicher erfüllt, davon bin ich überzeugt. Man kennt die deutsche Gründlichkeit bei der Organisation, und man weiß, wie sehr sich die Deutschen für den Fußball begeistern können.

Frage: Auch für den Frauenfußball?

Blatter: Ganz besonders auch für den Frauenfußball. Wer gesehen hat, wie das deutsche Frauen-Team nach dem siegreichen WM-Finale in Schanghai gegen Brasilien in Frankfurt empfangen wurde, der kann nur feststellen, dass auch die Männer als Weltmeister nicht begeisterter hätten begrüßt werden können. Diese hohe Anerkennung des Frauenfußballs zeichnet in Deutschland den Fußball insgesamt aus. Das war auch für die FIFA-Exekutive der entscheidende Beweggrund, die WM 2011 an ein Land zu vergeben, wo der Frauenfußball schon etabliert ist. Denn wenn sie in Deutschland ausgerichtet wird, dann wird sie richtig gemacht.

Frage: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Frauenfußball danach weiter entwickeln?

Blatter: In Deutschland steht der Frauen- und Mädchenfußball mit mittlerweile mehr als einer Million registrierten weiblichen Mitgliedern schon auf einem beachtlichen Niveau. Die WM 2011 wird darüber hinaus einen weiteren Schub geben. Aber nicht nur in Deutschland. Im gesamten europäischen Raum und weltweit wird sich mit dieser WM viel bewegen. Wichtig ist dabei, dass in jedem Land ein Meisterschaftsbetrieb organisiert wird, das muss überall in der Welt organisch wachsen. 2011 wird es in solchen Ländern die entscheidende Initialzündung geben und sich der Frauenfußball danach in der Welt wie ein Silvesterfeuerwerk verbreiten. Denn, wie ich schon einmal sagte: Die Zukunft des Fußballs ist weiblich. Entscheidend ist dabei, dass die WM-Spiele weltweit gezeigt werden und die Fernsehgesellschaften mitziehen. Unsere Fernsehverträge für 2011 sind deshalb ja Bestandteil des gesamten TV-Pakets für die Männer-WM 2014 in Brasilien. Auch in dieser Hinsicht sind also die Weichen zu weltweit größerer Popularität des Frauenfußballs gestellt.

Frage: Nicht zuletzt deshalb, weil sich der Stellenwert einer Sportart auch über ihre großen Persönlichkeiten definiert, die vor allem über das Fernsehen einem großen Publikum vermittelt werden. Welche Vorbilder sehen Sie im Frauenfußball?

Blatter: Zum Beispiel Steffi Jones, die der DFB als OK-Chefin für die WM 2011 auserwählt hat. Sie ist zwar nicht mehr aktiv, und ich weiß nicht, ob alle der derzeitigen großen Stars in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft wie zum Beispiel Birgit Prinz 2011 noch dabei sein werden. Doch ich bin überzeugt, dass neue Spielerinnen kommen, die zu Idolen werden für den Nachwuchs. In Deutschland, in den USA, in den skandinavischen Ländern und anderswo. Natürlich auch in Brasilien, wo Marta oder Cristiane für viele Mädchen Vorbilder sind. Bisher hat sich der Frauenfußball noch nicht so richtig an Stars orientieren können. Der Frauenfußball benötigt aber einen Zuwachs an positiver Starkultur, um seinen Stellenwert zu steigern. Hierzu müssen die Medien, aber auch die Frauen selbst ihren Teil beitragen.

Frage: Fünf Jahre nach der WM 2006 tritt der DFB 2011 abermals als Ausrichter und Gastgeber einer Weltmeisterschaft in Erscheinung...

Joseph S. Blatter bei der Vergabe der Frauen WM 2011  © Bongarts/Getty Images
Joseph S. Blatter bei der Vergabe der Frauen WM 2011

Blatter: ...wobei die FIFA sich mit Blick auf die weitere Entwicklung des Frauenfußballs dem nächsten und auch allen weiteren Ausrichtern gegenüber geöffnet hat. Bis zur letzten Frauen-WM hatte die FIFA mit 15 Sponsoren zusammengearbeitet, die praktisch die gesamte Produktpalette exklusiv für sich zur Verfügung hatten. Jetzt und in Zukunft haben wir nur noch sechs offizielle Partner, was bedeutet, dass der DFB und zukünftige Ausrichter es leichter haben, eigene Sponsoren zu akquirieren. Die wirtschaftlichen Kräfte, die sich bisher mehrheitlich auf den Männerfußball konzentrieren, können sich nun auch verstärkt den Frauen zuwenden.

Frage: Welche Gesamtatmosphäre und Stimmung erwarten Sie 2011?

Blatter: Es soll wieder eine Märchen werden. Und diesmal ein noch schöneres, weil Frauen die Hauptrolle spielen. Dem deutschen OK stehen hierfür Stadien zur Verfügung, in denen ein wunderbares Ambiente herrschen wird. Vielleicht hören sich die Deutschen mal bei den Kanadiern um, die für die Junioren-WM schon 1,1 Millionen Tickets verkauft hatten, bevor das Turnier überhaupt angepfiffen wurde. Die Erfahrung zeigt, dass von denen, die Tickets kaufen, viele auch Mitglied im Verband werden. Der DFB wird sich, da bin ich mir sicher, etwas einfallen lassen, um die Tickets an den Mann und an die Frau zu bringen. Die Spielerinnen müssen dann die WM zu einer Attraktion machen und für Stimmung sorgen mit ihrer ganz eigenen Spielart. Das ist eine Kombination aus Eleganz, Feinsinn und Kreativität – und nicht soviel Tackling wie im Männerfußball.

Frage: Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die U 20-Frauen-WM 2010 in Deutschland – ein organisatorischer Test oder mehr ein Appetitmacher?

Blatter: Einen organisatorischen Test müssen wir in Deutschland nicht durchführen. Den braucht hat man dort nicht. Appetizer – das ist der richtige Ausdruck. Deswegen hat die FIFA mit dem DFB vereinbart, diese U 20-WM im Jahr zuvor durchzuführen, um die WM 2011 kräftig anzuheizen. Die U 20-Nationalteams, die dabei antreten werden, sind mit ihrer Qualität absolut in der Lage, ein größeres Publikum anzusprechen.

Frage: Steffi Jones ist als Präsidentin des vom DFB gebildeten Organisationskomitees das Gesicht der WM 2011. Wie gefällt es Ihnen?

Blatter: Sie hat die Rolle, die Franz Beckenbauer 2006 gespielt hat. Ich glaube, sie wird dabei noch mehr Erfolg haben, weil sie jünger ist und hübscher (lacht). Ich weiß nicht, ob das dem Franz gefallen wird, aber es ist so.

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