Samstag, 28. März 2009

Interview mit Uli Wolter

20.10.2008 10:00 Frauen-WM 2011

Uli Wolter: "2011 ein Feuerwerk zünden"

Ulrich Wolter in Dresden  © Bongarts/GettyImages
Ulrich Wolter in Dresden

Am 1. Juli 2008 trat Ulrich Wolter offiziell seinen Dienst als Gesamtkoordinator beim Organisationskomitee des DFB für die FIFA Frauen-WM 2011 an. In dieser Funktion verknüpft und steuert der 35-jährige Jurist an der Seite der OK-Präsidentin Steffi Jones das operative Geschehen für die erste Frauenfußball-WM in Deutschland.

Der gebürtige Bremer erledigt diesen umfangreichen Aufgabenbereich mit der großen Kompetenz und Erfahrung, die er zuletzt als OK-Chef des Spielortes Salzburg bei der Euro 2008 und zuvor als Geschäftsführer der OK-Außenstelle Leipzig vor und bei der WM 2006 erworben hat.

Im aktuellen "DFB.de-Gespräch der Woche" mit DFB-Redakteur Wolfgang Tobien zieht Ulrich Wolter ein Fazit der ersten 100 Tage an der OK-Spitze und nennt die nächsten Schritte sowie die größte Herausforderung auf dem Weg zum Weltfestival des Frauenfußballs.

Außerdem beschreibt der ausgewiesene Orga-Experte für Fußball-Großereignisse, welche besonderen Erkenntnisse aus Salzburg und Leipzig, das als einer der Spielorte des FIFA Confederations Cup 2005, als Veranstaltungsstätte der Auslosung für die WM-Endrunde 2006 und schließlich mit fünf WM-Partien ganz stark im Blickpunkt stand, ihm für 2011 bedeutsam erscheinen.

Frage: Die ersten 111 Tage als Gesamtorganisator des Organisationskomitees für die FIFA Frauen WM 2011 liegen seit dem Wochenende hinter Ihnen. War es die übliche Schon- und Einarbeitungszeit, die einem Neuzugang während der ersten 100 Tage in seinem Job zugestanden wird?

Ulrich Wolter: Nicht wirklich. Ich habe seit Anfang dieses Jahres schon im Hintergrund mitgewirkt. Es war von daher keine Schonzeit nötig, weil ich mit der Materie, die hier auf mich zukam, seit Jahren vertraut bin.

Frage: Ihr Job hier in Frankfurt ist also die Fortsetzung ihrer bisherigen Tätigkeit in Salzburg und davor in Leipzig?

Wolter: Für viele Bereiche stimmt das. Allerdings unter etwas anderen Vorzeichen. Als Gesamtkoordinator muss ich jetzt die einzelnen operativen Bereiche zum großen Ganzen zusammenführen. Bei der Euro 2008 und der WM 2006 war ich nur für Teilprojekte in den jeweiligen Spielorten verantwortlich.

Frage: Wie lautet Ihr Fazit der ersten vier Monate?

Wolter: Ich bin sehr zufrieden mit dem Team, mit dem ich im OK zusammenarbeite. Die Venue-Tour, die Besichtigungsreise im Vorfeld der Festlegung auf die neun WM-Spielorte verlief sehr positiv, weil wir dabei schon frühzeitig in unserer Rolle als Dienstleister der Städte wahrgenommen wurden, zu denen wir ein sehr enges und transparentes Miteinander haben. Im operativen Bereich liegen wir insgesamt voll im Zeitplan.

Frage: Was war die wichtigste Entscheidung, die Sie in den vergangenen Monaten mit dem OK getroffen haben?

Wolter: Die beiden wohl wichtigsten Entscheidungen hat, mit Zuarbeit des Organisationskomitees, das DFB-Präsidium getroffen. Es hat den WM-Etat mit 51 Millionen Euro festgelegt und die neun WM-Spielorte bestimmt. Seitdem wissen wir, was uns die WM 2011 voraussichtlich kosten und wo sie stattfinden wird. Danach richten sich jetzt alle weiteren Maßnahmen wie die Ausarbeitung des Spielplans, das Ticketing-System oder die weiteren Verhandlungen mit potenziellen Nationalen Förderern. Nicht vergessen will ich aber auch die Gremien und Personengruppen, die in den letzten Wochen und Monaten zusammengestellt wurden, wie der Präsidialausschuss, das Kuratorium oder die besondere Elf der First Ladies, um dem OK kontrollierend, beratend oder unterstützend zur Seite zu stehen.

Frage: Welche zielführenden Erfahrungen und Erkenntnisse können sie aus Ihrer Zeit als OK-Chef des Standortes Leipzig während der WM 2006 und des Spielortes Salzburg bei der Euro 2008 jetzt einbringen?

Wolter: In Leipzig und in Salzburg habe ich zunächst einmal grundsätzlich aus nächster Nähe mitbekommen, wie die FIFA oder die UEFA ein so großes Turnier organisiert. Das war eine sehr wichtige Erfahrung, die ich jetzt zum Beispiel bei der Ausarbeitung der Stadion-Verträge oder beim Erstellen des Volunteer-Programms mit einbringen kann. Seit meiner Zeit in Leipzig weiß ich, welche Bedürfnisse und Erwartungen die WM-Städte, die ja auch diesmal zu unseren wichtigsten Partnern zählen, mit einem solchen Turnier verbinden.

Frage: Und welche speziellen Einsichten bringen Sie aus Salzburg mit?

Wolter: Es gab etliche Parallelen, die jetzt sehr hilfreich sind. Das Turnier hatte mit 16 Mannschaften das gleiche Format wie die WM 2011. Die Stadien in der Schweiz und in Österreich und speziell unsere Arena in Salzburg hatten ähnliche Dimensionen wie die Spielstätten für 2011, weshalb man entsprechende Rückschlüsse für den Medienbereich oder das Volunteer-Programm und die Umsetzung von Sponsoren-Aktivitäten ziehen kann. Der Zeitdruck auf die Organisatoren ist vergleichbar – mit der Folge, dass man jetzt genauer weiß, wie man darauf zu reagieren hat, um Reibungsverluste zu verhindern.

Frage: Können Sie organisatorisch – abgesehen vom kleineren Teilnehmerfeld und den daraus resultierenden Folgen – einen Unterschied zwischen der Männer-WM 2006 und der Frauen-WM 2011 feststellen?

Wolter: Die Prognose dürfte sicherlich nicht falsch sein, wenn man heute schon feststellt, dass die WM 2011 weitaus nationaler ausgerichtet sein wird als die doch auch sehr international geprägte WM 2006. Das heißt, die Zuschauer kommen zu einem sehr hohen Prozentsatz aus Deutschland. Daraus ergibt sich ein anderes Reiseverhalten, was den Verkehr und den Transport betrifft. Das wird außerdem wichtige Auswirkungen auf das Ticketing haben. Und für die teilnehmenden Nationalmannschaften wird es, so ist die gegenwärtige Planung, keine eigenen Team-Base-Camps geben, sondern gemeinsame Quartiere an den jeweiligen Spielorten.

Frage: Gerade diese einzelnen Team-Quartiere mit ihrer höchst positiven Ausstrahlung auf die örtliche Bevölkerung, beispielsweise Togo in Wangen oder Ghana in Bad Kissingen, hatten doch 2006 großen Anteil an der tollen Gesamtatmosphäre rund um die WM.

Wolter: Deswegen wollen wir noch mal überlegen, ob wir dieses Verfahren, obwohl es bei einer Frauen-WM bislang nicht üblich war, nicht auch für 2011 adaptieren. Eben, weil es diesen schönen und stimmungsvollen Effekt hatte. Was im Vergleich zu den vergangenen WM-Endrunden der Frauen anders sein wird, ist der Wegfall der sogenannten Double-Header, also von zwei Spielen hintereinander im gleichen Stadion. Von daher wird 2011 eine andere, exklusivere Qualität haben. Natürlich Spieltage mit zwei Begegnungen, aber in verschiedenen Stadien.

Frage: Wie bewerten Sie generell die Zusammenarbeit mit der FIFA?

Wolter: Wir arbeiten mit den Kollegen in Zürich auf einer vernünftigen Basis gut zusammen. Klar ist, dass bei der FIFA der Fokus im Moment noch auf die WM 2010 in Südafrika gerichtet ist. Dennoch habe ich das Gefühl, dass wir mit der FIFA und sie mit uns eindeutig das Ziel vor Augen hat, mit der WM 2011 weltweit im Frauenfußball den Durchbruch zu schaffen und mit diesem Turnier in Deutschland ein neues Bewusstsein für diesen schönen Sport herzustellen. Wir wollen gemeinsam eine Rakete zünden, die danach auch in der Umlaufbahn bleibt.

Frage: In Steffi Jones als OK-Präsidentin ist Ihre direkte Vorgesetzte eine Frau. Eine gängige oder eher gewöhnungsbedürftige Situation für Sie?

Wolter: Irgendwann im April habe ich mich bei Steffi Jones telefonisch vorgestellt und ihr gesagt, dass ich mich auf die Zusammenarbeit freue. Diese Freude ist in der Praxis seit meinem Amtsantritt noch größer geworden. Die Aufteilung der Geschäfte zwischen uns klappt wunderbar. Ich bin immer wieder stark beeindruckt, wie sie ihre öffentlichen Auftritte auch bei schwierigen Themen und Anlässen meistert mit ihrer Persönlichkeit und Art. Sie ist eine angenehme Chefin und Zugmaschine für unser gesamtes Projekt. Steffi ist ja nicht die einzige Frau in einer wichtigen Position bei unserem OK.

Ulrich Wolter, Steffi Jones und Wolfgang Niersbach (v.l.)  © Bongarts/GettyImages
Ulrich Wolter, Steffi Jones und Wolfgang Niersbach (v.l.)

Frage: Welche wichtigen Entscheidungen müssen von nun an kurz- und mittelfristig getroffen werden?

Wolter: In allernächster Zeit werden wir uns mit der FIFA über den Spielplan einigen, der noch vom FIFA-Exekutivkomitee verabschiedet werden muss. Wir müssen ein Ticketkonzept erarbeiten und wichtige Marketing-Fragen beantworten wie zum Beispiel, welche WM-Marken in welcher Form die Städte in ihrem Bereich verwenden können; Logo, Poster, Slogan und so weiter. Ganz wichtig ist zudem, die Geschäftsführer der DFB-Landesverbände frühzeitig in unsere Planungen einzubeziehen und ein klares Profil für die OK-Außenstellen zu entwickeln.

Frage: Was wird generell die größte Herausforderung im Hinblick auf 2011 sein?

Wolter: Die Fußballanhänger in Deutschland und im Ausland mit unseren Botschaften zu erreichen und zu mobilisieren, damit diese Frauen-WM in drei Jahren in ausverkauften Stadien stattfinden wird. Wir haben den Mut und das Selbstvertrauen zu sagen, wir gehen nach Berlin, nach Frankfurt und nach Mönchengladbach und machen diese großen Arenen ebenso voll wie die sechs anderen bei den insgesamt 32 Spielen. Das ist die große Herausforderung.

Frage: Als Gesamtkoordinator müssen Sie auch für die gerade von DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger gewünschte Nachhaltigkeit der WM 2011 in Sachen Frauen-, Mädchen- und Schulfußball sowie bei wichtigen gesellschaftspolitischen Themen wie Integration sorgen. Ist das Neuland für Sie, der als Rechtsanwalt in den vergangenen Jahren vor allem mit rein technisch-organisatorischen Dingen befasst war?

Wolter: Das ist in der Tat Neuland. Doch es gibt im Zusammenhang mit der WM 2011 einige Themen, die neu oder anders sind. Darin besteht aber für mich unter anderem der Reiz dieser Aufgabe. Ich bin froh, dass wir bei den angesprochenen Themen auf sehr kompetente Abteilungen und hervorragende Mitarbeiter zurückgreifen und uns auf sie verlassen können. Wie schon gesagt, wollen wir 2011 ein Feuerwerk entzünden, dass seine Strahlkraft für die Jahre nach dem Abpfiff beibehält, das dauerhaft bleibt. Dafür müssen wir uns jetzt schon um die Nachhaltigkeit dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Sachverhalte kümmern, die durch das Turnier selbst dann zusätzliche Schubkraft bekommen.

Frage: In rund 18 Monaten findet die U 20-Frauen-WM in Deutschland statt, für deren Organisation ebenfalls Sie mit Ihrem OK-Team verantwortlich sind. Wie ist der Stand bei dieser zusätzlichen Aufgabe, deren Lösung ja auch als Test für das dann folgende Großereignis angesehen wird?

Wolter: Wir stehen kurz vor der Entscheidung über die Austragungsorte für diese Veranstaltung. Diese U 20 dient in erster Linie dazu, dem OK, den Stadienbetreibern und der FIFA zu zeigen, wo wir auf dem Weg nach 2011 stehen, wo wir noch Handlungsbedarf haben. Auf der anderen Seite ist das ein Turnier, eine WM, die 100-prozentig funktionieren muss. Gerade bei diesem U 20-Frauen-Turnier wollen und müssen wir auf die Kompetenz der Fachleute beim DFB und ganz besonders bei den Landesverbänden zurückgreifen. In diesem Zusammenhang sind wir sehr dankbar, dass die Landesverbände schon auf uns zugekommen sind und ihre Hilfe angeboten haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen