30.06.2009 10:15 Frauen-Nationalmannschaft DFB.DE SPEZIAL
Baumeister Bisanz legt das Fundament für die Zukunft
„Es hat alles gepasst!“ Mit 20 Jahren Abstand geht eine solche Aussage leicht über die Lippen. Doch Gero Bisanz will damit nicht den Eindruck erwecken, der Gewinn der Europameisterschaft 1989 mit dem 4:1 im Finale gegen Norwegen sei ein Kinderspiel gewesen. „Oh, nein, das war keineswegs ein Selbstläufer“, sagt der damalige DFB-Trainer der Frauen-Nationalmannschaft.
Aus diesem Grund präzisiert er seine Aussage: „Wir mussten uns schon sehr konzentriert vorbereiten. Aber wir hatten Spielerinnen, die den Fußball liebten. Ihre Motivation war nicht der Drang des Geldes, sondern die Freude am Sport.“
Teil vier der DFB.de-Serie "20 Jahre Frauen-EM-Titel".
Gero Bisanz und Tina Theune: Sichtungssystem aufgebaut
Allerdings mussten diese Spielerinnen zunächst einmal gefunden werden. Kein leichtes Unterfangen, wie Gero Bisanz schnell feststellte. „Ich hatte 1982 von DFB-Präsident Hermann Neuberger den Auftrag erhalten, die Frauen-Nationalmannschaft zu gründen. Dabei hatte ich zunächst auf die bewährten Kräfte der damaligen Spitzenvereine zurückgegriffen. Aber das waren zumeist schon ältere Spielerinnen, so dass wir schnell an unsere Grenzen gestoßen sind. Es fehlten einfach junge Spielerinnen“, so der einstige Trainer-Ausbilder.
Deswegen machte er sich daran, ein Sichtungssystem aufzubauen. Mit Tina Theune holte er sich zunächst eine Assistentin, die ihm dabei helfen sollte. Dann schufen sie sich ein Netzwerk von Fachleuten, über die sie sich Informationen über Spielerinnen einholten. Dazu kam die Sichtung, die sie selbst durchführten. Und immer mehr „Lehrgänge“.
„Tina und ich sind nach dem Unterricht an der Sporthochschule in Köln losgefahren und haben Sonder- oder Einzeltraining gegeben“, berichtet Gero Bisanz. Zu den dezentralen Einheiten kamen zwischen sechs und zehn Spielerinnen. Teilweise nahmen sie dafür lange Anreisen in Kauf. Eine Einstellung, die dem Fußballlehrer imponierte. „Da habe ich gesehen: Die Spielerinnen wollten, die waren motiviert. Ich wusste, die kannst du nicht im Stich lassen“, so der DFB-Trainer.
Eine Basis war damit geschaffen. Nun mussten die individuell trainierten Spielerinnen zu einer Mannschaft wachsen. „Wir hatten zwei bis drei Lehrgänge mit der DFB-Auswahl pro Jahr. Die hatten wir genutzt, um am Team zu feilen“, erzählt Gero Bisanz. „Im Endeffekt waren wir auf jeder Position doppelt besetzt. Der Kader für die Europameisterschaft kristallisierte sich schnell heraus. Ich musste bei der Nominierung gar nicht viel überlegen“, berichtet er weiter.
Auf eine ausgiebige Vorbereitung auf das Turnier musste der Trainer indes verzichten. „Das ging allein schon deshalb nicht, weil die Spielerinnen berufstätig waren“, erzählt Gero Bisanz. Deswegen traf sich das Team erst vier Tage vor dem Start der EM in der Sportschule Kaiserau. Alles kein Problem für den Coach. „Die Spielerinnen waren ehrgeizig und lernwillig. Sie hatten Spaß und Freude am Fußball. Das war ein tolles Feedback für einen Trainer“, sagt er.
Aber auch die Ergebnisse seines Teams waren Bestätigung der Arbeit. „Gegen Italien wollten wir unbedingt gewinnen“, erzählt Gero Bisanz. Der Erfolg im Halbfinale erleichterte ihm die Vorbereitung auf das Endspiel. „Nach dem Sieg im Elfmeterschießen war es für mich leichter, die Mannschaft positiv einzustellen. Das Selbstbewusstsein einer Marion Isbert hatte sich auf das Team übertragen. Das hat eine Eigendynamik entwickelt“, erklärt der Trainer.
Neid, Mohr und Co.: Bisanz´ Talentschmiede
Dennoch ließ er vor dem Finale nichts unversucht, seine Spielerinnen einzustimmen. „Wir sind zwar Außenseiter, haben aber eine große Chance“, lautete seine Botschaft. „Und ich glaube, die Spielerinnen waren davon überzeugt. Nach der ersten Halbzeit habe ich dann auch daran geglaubt“, sagt Gero Bisanz mit einem Augenzwinkern. Ein Schlüssel zum Erfolg war es, gut ins Spiel zu kommen. „Das hat die Zuschauer noch mehr beflügelt. Die Fans waren einfach fantastisch an diesem Tag“, so der DFB-Trainer.
Nicht nur an jenem 2. Juli 1989, sondern auf Dauer konnte die Mannschaft ein hohes Niveau halten. „Dieser Erfolg war das Zeichen, dass uns der Aufbau gelungen war. Ich wusste, dass ein Fundament für eine erfolgreiche Frauen-Nationalmannschaft steht“, erzählt Gero Bisanz.
Was nicht zuletzt an Hand der Namen der Spielerinnen zu erkennen ist: Silvia Neid, Sissy Raith, Heidi Mohr, Jutta Nardenbach, Doris Fitschen und Co. sind heute allen Fußball-Interessierten ein Begriff. „Sie bildeten das Gerippe der Mannschaft für die kommenden Jahre“, so der DFB-Trainer. Und blieben für den DFB in anderen Funktionen wichtig - Silvia Neid etwa führte als DFB-Trainerin die Frauen-Nationalmannschaft 2007 zum zweiten WM-Titel.
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